Sind Dauerrezepte auch Akutversorgung?

Apothekerin: Retax-Angst bei Flüchtlingsversorgung

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Berlin -

Die Versorgung von ukrainischen Flüchtlingen mit Arzneimitteln wird die Apotheken länger begleiten. Vielerorts werden Dauerverordnungen vorgelegt. Doch diese gingen über die zulässige Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände hinaus, sagt Apothekerin Cordula Eichhorn aus Hessen. Die Inhaberin der Rathaus-Apotheke in Eppstein fordert klare Abgaberegeln und warnt vor Retaxationen.

In der Apotheke von Eichhorn stapeln sich die Rezepte von Geflüchteten aus der Ukraine. In der Nähe der Offizin befindet sich eine Unterkunft, weshalb viele vom Angriffskrieg Betroffene in die Rathaus-Apotheke kommen. Zuletzt habe es mitunter enttäuschte Gesichter gegeben, sagt die Apothekerin. Denn sie kann nicht jedes verordnete Arzneimittel direkt abgeben. Das zuständige Sozialamt verweise explizit auf den „eingeschränkten Leistungsumfang“ bei der Arzneimittelversorgung.

Apothekerin wartet auf Genehmigungen

Der Main-Taunus-Kreis bezieht sich auf das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Demnach würden nur die Kosten der Akutbehandlung von Erkrankungen sowie Schmerzzuständen gedeckt. „Darüber hinausgehende Behandlungs- und Verordnungsmaßnahmen [… ] bedürfen einer vorherigen Genehmigung durch den Kostenträger“, heißt es in einem Schreiben des Amtes. Deshalb lässt sie jedes Rezept, das dadurch nicht gedeckt ist, abstempeln. „Ich stelle mittlerweile bei jedem Rezept einen Antrag auf Kostenübernahme beim Sozialamt“, sagt sie. Ein Prozess, der Zeit dauert. Denn der Amtsarzt müsse die aufgeschriebene Medikation der Kolleg:innen prüfen. Der Stapel mit offenen Genehmigungen ist entsprechend groß, die Rezepte lägen seit Wochen in der Apotheke.

Auf Nachfrage beim Hessischen Apothekerverband (HAV) habe man auch keine einheitliche Regelung nennen können, kritisiert Eichhorn. „Jeder Kreis macht es anders. Ich habe Kollegen in Wiesbaden, die geben es einfach ab.“ Das ist Eichhorn jedoch zu unsicher. Zuletzt erhielt sie mehrere Verordnungen mit N3-Packungsgrößen – Xarelto, Etoricox, Omep oder Icandra sind nur einige Beispiele. „Es kann sein, dass ich später nicht retaxiert werde, aber wenn doch, ist es am Ende mein Problem.“ Gerade bei hochpreisigen Arzneimitteln ist die Apothekerin vorsichtig.

Die Abda teilte ihr auf Nachfrage mit, dass beispielsweise die Packungsgröße kein Richtwert sei. „In den ersten 18 Monaten Aufenthalt in Deutschland (§ 2 Abs. 1 S. 1 AsylbLG ) wird nach § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG ‚zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände (…) die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln (…) gewähr(t)‘“, heißt es in dem Antwortschreiben. Welche Packungsgröße der behandelnde Arzt dann im Rahmen der Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände verordnet, obliege seiner Entscheidung. „Dabei kann zum Beispiel eine akute Erkrankung auch bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes vorliegen und der Arzt deswegen die Packungsgröße N3 verordnen.“

Abda: Bei Hochpreisern Rücksprache mit Kostenträger

Doch auch die Abda will sich nicht ganz festlegen: „In der Regel ist für die Versorgung mit Arzneimitteln kein Kostenvoranschlag einzuholen, unabhängig davon, in welcher Packungsgröße das Arzneimittel verordnet wurde.“ Zudem empfiehlt sie: „Besonders bei Verordnungen teurer Arzneimittel ist es jedoch empfehlenswert, den Kostenträger bezüglich der Übernahme der Kosten vor Abgabe des Medikaments zu kontaktieren.“

Bezüglich der Kostenvoranschläge gebe es keine Richtlinie. Sollte eine Behörde eine Behandlung für nicht erforderlich halten, könne sie die Kostenübernahme verweigern. „In den allermeisten Fällen wird jedoch der Einschätzung des Arztes hinsichtlich des Umfangs der erforderlichen Versorgung vertraut und deshalb die Kosten übernommen.“

Zudem verwies man in Berlin auf eine anstehende Änderung: Ab Juni sollen Flüchtlinge aus der Ukraine wie Asylberechtigte nach dem Zweiten und Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch versorgt werden. Das sei ein Ergebnis eines Treffens des Bundeskanzlers mit den Regierungschef:innen der Länder vom 7. April. Die Krankenversorgung unterscheide sich dann nicht mehr von gesetzlich Krankenversicherten.

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