Die Heide-Apotheke in Tarmstedt steht vor dem Aus – jedoch nicht, weil der Betrieb schlecht läuft, die Inhaberin aufhören möchte oder sich kein Nachfolger findet. Vielmehr hat der Vermieter Edeka den Mietvertrag gekündigt. Eigentlich hätte die Apotheke bereits zum 30. Juni des vergangenen Jahres ausziehen sollen, obwohl der Inhaberin nach eigenen Angaben die Verlängerung des Mietvertrags bis Februar 2029 schriftlich bestätigt wurde. Sie wehrt sich gegen die Kündigung – nun steht eine Räumungsklage im Raum.
Die Heide-Apotheke ist seit dem 19. Jahrhundert fester Bestandteil des Ortes. Der aktuelle Mietvertrag geht auf das Jahr 1988 zurück: Damals verhandelten die Eltern von Inhaberin Nora Hesse die Konditionen, seit März 1989 befindet sich die Apotheke in den Räumen. Ursprünglich war der Vertrag auf zehn Jahre angelegt, mit einer Verlängerungsoption von viermal fünf Jahren. Später wurde diese auf acht Optionen erhöht – dass dies gegen das BGB verstößt, war jedoch niemandem bewusst. 2006 übernahm Hesse den Betrieb von ihrer Mutter – und damit auch den langjährigen Mietvertrag.
2018 zog sie die fünfte Verlängerungsoption und verlängerte damit den Mietzeitraum vom 1. März 2019 bis zum 29. Februar 2024. „Und 2023 habe ich die sechste Option für den Zeitraum vom 1. März 2024 bis zum 28. Februar 2029 gezogen. Edeka hat das feste Mietverhältnis bis zum 28. Februar 2029 schriftlich bestätigt“, erzählt sie. Edeka plant nun eine Neuordnung des Marktes, einschließlich baulicher Veränderungen. Zwar ist im neuen Markt auch Platz für eine Apotheke vorgesehen, doch bleibt unklar, ob Hesse mit ihrer Heide-Apotheke dort einziehen kann und unter welchen Bedingungen. Im Sommer 2023 fanden Vertragsverhandlungen statt. Edeka kündigte vorsorglich zum 30. Juni 2024, dieser Kündigung widersprach Hesse.
Anschließend gab es weitere Gespräche, in denen eine Weiterführung der Apotheke im neuen Gebäudekomplex thematisiert wurde, allerdings mit einer vorübergehenden, langen Schließzeit. Hesse erklärte, dass sie ihren Betrieb nicht über einen längeren Zeitraum schließen könne. Alternativ wurde eine Containerlösung für den Übergangszeitraum vorgeschlagen – das sei allerdings für die Apothekerin mit erheblichen Kostenaufwendungen verbunden.
Im vergangenen Sommer habe Hesse mit ihrer Anwältin die von Edeka vorgelegten Musterverträge geprüft und Anpassungen vorgeschlagen – insbesondere zu den Öffnungszeiten, Schließtagen und einer möglichen Verlagerung während des laufenden Mietverhältnisses. Eine Einigung wurde nicht erzielt. Im Januar wurde ihr die Räumungsklage zugestellt. Auf Anfrage erklärte eine Unternehmenssprecherin von Edeka, dass man sich zu vertraglichen Angelegenheiten mit Mietpartnern nicht äußere.
Auch die Gemeinde ist involviert. Laut Bürgermeister Oliver Moje gab es sowohl Gespräche mit dem Neubauinvestor als auch mit Hesse. Man habe versucht, ein alternatives Grundstück zu finden, jedoch ohne Erfolg. „Letztlich sind es privatwirtschaftliche Entscheidungen – da stecken wir als Gemeinde nicht so tief drin“, erklärte Moje.
Die Inhaberin weist einen Neubau jedoch zurück. „Das ist für mich keine realistische Option – ich bin 50 Jahre alt. Ein Modulbau würde mindestens 500.000 Euro kosten, ohne Offizin. Mit kompletter Ausstattung läge die Summe schnell bei einer Million“, erklärt Hesse. Angesichts der aktuellen Entwicklungen im Apothekenmarkt sei eine solche Investition schwer zu rechtfertigen.
Die unklare Situation erschwert zudem die Personalsuche. „Ich will den Laden rocken – aber ich kann momentan nur den Status quo aufrechterhalten.“ Aktuell hat sie drei PTA in Teilzeit mit insgesamt 57 Wochenstunden sowie eine PKA. „Ich stehe jetzt manchmal zum Teil ganz alleine im HV – nicht oft, aber zu oft.“ Kürzlich habe sie einen Montagvormittag in vier Stunden an die 100 Kunden alleine versorgt.
Die Apothekerin fühlt sich ausgebremst: Langfristige Planungen seien unter den aktuellen Bedingungen kaum möglich. Hinzu komme ein Modernisierungsstau, da größere Investitionen ohne verlässliche Perspektive nicht sinnvoll seien.
Hesse fechtet die Räumungsklage juristisch an. Sie beruft sich darauf, dass die schriftliche Zusicherung des Mietverhältnisses bis zum 28. Februar 2029 rechtlich bindend sei. Ob das Gericht diese Auffassung teilt, bleibt abzuwarten.