Apothekerin contra Sat.1 Torsten Bless, 22.11.2017 08:59 Uhr
Das Sat1-Frühstücksfernsehen pries die Vorteile der Versandapotheken. Apothekerin Swantje Köhnen aus Wuppertal mochte das nicht auf sich sitzen lassen. Sie warnte eindringlich vor den Folgen der Konkurrenz aus dem Internet.
Köhnen fiel nach eigenem Bekunden fast vom Sofa. Kurz vor ihrem Dienstbeginn in der Wuppertaler Rathaus-Apotheke musste sie im Sat1-Frühstücksfernsehen fast fünf Minuten mit ansehen, wie das Hohe Lied der Versandapotheken gesungen wurde.
Leider sei es wieder Erkältungszeit und Nasentropfen, Wärmepflaster & Co. könnten ganz schön teuer werden, so Moderator Christian Wackert. Wie gut, dass es Online-Apotheken und Sat1-Spardetektiv Daniel Engelbarts gebe. Im Hauptberuf ist Engelbarts CEO der in Berlin ansässigen Schnäppchenplattform Sparwelt.de. Er ermutigte die Zuschauer ausdrücklich, sich mal mit dem Thema Versandapotheken zu befassen.
„Ich weiß zwar, dass der Aufschrei bei den Apothekern jetzt groß ist, und die sagen: Um Gottes willen, ihr braucht uns doch, wenn ihr richtig krank ist, wer ist denn nachts um drei Uhr für euch da“, so Engelbarts. Doch Sachen, „die man einfach nur so braucht“, wie Schmerztabletten oder Nasenspray, müsse man nicht in der Vor-Ort-Apotheke kaufen. In der Online-Apotheke könne man bis zu 70 Prozent sparen. „Wir haben einen Rekord gefunden mit 83 Prozent für Schmerztabletten.“ Alle Versandapotheken, die in den Preisvergleichs-Webseiten zu finden seien, könne man bedenkenlos nutzen. Nur vor polnischen Hinterhofklitschen solle man sich in Acht nehmen.
Natürlich sei Beratung wichtig. „Wenn ich aber zum 15. Mal meinen Hustensaft benötige, warum soll ich dann dafür das Doppelte oder Dreifache bezahlen?“ Um das günstigste Medikament zu finden, würden spezialisierte Preisvergleichsportale helfen. Als Beispiel wurde Medipreis.de vorgeführt. Wer noch mehr sparen wolle, könne Gutscheine nutzen, die Neukunden als Willkommensbonus bekämen. „Da kriege ich ja fast schon die erste Lieferung gratis.“
Diesen Beitrag mochte Köhnen nicht auf sich und ihrem Berufsstand sitzen lassen. Auf Facebook schrieb sie umgehend einen langen Beitrag an die Redaktion. Sie sei wirklich schockiert über die einseitige Berichterstattung zum Thema Online-Apotheken. „Ich führe selber eine Apotheke und beobachte schon seit längerer Zeit das immer mehr Apotheken schließen müssen. Und das wird sicher nicht besser, wenn wir die Online-Apotheken weiter in einem solchen Maß unterstützen“, so Köhnen.
Sparen sei super, aber in den Apotheken vor Ort gebe es verschiedene gute Angebote und kompetente Beratung noch mit dazu. „Außerdem stellt sich die Frage, welche Online-Apotheke ihnen nachts das dringend benötigte Antibiotikum für Ihr krankes Kind liefert oder am Sonntag ein akut benötigtes Schmerzmittel.“ Dafür seien dann die Apotheken vor Ort gut genug.
„Wenn wir mit einer solchen Einstellung weitermachen, müssen wir uns nicht wundern, wenn es irgendwann kaum noch Apotheken gibt oder wir in einem Notfall erst einmal eine Stunde fahren müssen, um die nächste Apotheke zu erreichen. Ich hoffe, dass ihr zukünftig bei derartigen Berichten besser recherchiert und euch Gedanken über eventuelle Folgen für eine ganze Branche macht.“ 30 Likes bekam sie für ihren Einwurf, er wurde zwölf Mal geteilt. Eine Reaktion des Senders habe es nicht gegeben, sagt die Apothekerin.
Köhnen ist mit Leib und Seele Pharmazeutin. Seit dem 1. Januar ist sie Chefin der Rathaus-Apotheke, vorher war sie hier bereits fünf Jahre angestellt tätig. „Ich bin direkt nach meinem praktischen Jahr hierher gekommen“, erzählt sie. „Mein Chef hat mich gefragt, ob ich die Apotheke übernehmen will, da habe ich sofort zugegriffen.“
Ihre Entscheidung habe sie keinen Tag bereut. Allerdings wünsche sie sich ein starkes Sprachrohr in der Politik. „Ich habe den Eindruck, dass die Herren da oben alle schon ein bisschen betagter sind und ihr Ohr nicht mehr ganz am Puls der Zeit haben. Ich will aber, dass meine Apotheke noch lange Jahre gut läuft.“