Die Herausforderungen für Apotheker haben in den letzten Jahren zugenommen und werfen nicht nur organisatorische, sondern auch ethische Fragen auf. Auch Lieferengpässe sorgen in den Apotheken immer wieder für ethische Konflikte. Wie viel Engagement ist sinnvoll, wenn der Aufwand nicht honoriert wird? Diese Problematik ist nicht neu, wie der Fall von Apotheker Christian Fehske zeigt, der sich bereits vor einem Jahr mit der Bitte um Unterstützung an den Ethikrat wandte – aber keine Antwort erhielt.
Eine Studie der Universität Leipzig und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat sich kürzlich mit ethischen Problemen in der Apotheke beschäftigt. Der zweithäufigste Konflikt betrifft demnach den Umgang mit Lieferengpässen. Die Studie betont, dass das Ausweichmedikament oft nicht die für die Patient:innen am besten geeignete Therapie ist.
Das Problem ist nicht neu. Bereits vor einem Jahr hatte sich Fehske mit der Bitte um Unterstützung an den Ethikrat gewandt – leider erfolglos, seine Anfrage blieb unbeantwortet.
In seiner E-Mail Anfang September letzten Jahres wies der Apotheker darauf hin, dass das Thema Umgang mit Lieferengpässen und Engpassmanagement zunehmend politisch relevant werde und bat um Empfehlungen des Ethikrates für Ärzt:innen, Apotheker:innen und Patient:innen. Fehske kritisierte darin die widersprüchlichen öffentlichen Empfehlungen zum Umgang mit Lieferengpässen bei Arzneimitteln, die in der Bevölkerung zu Verunsicherung und unsolidarischem Verhalten führten. Wenn Patientinnen und Patienten von ihren Ärzt:innen Rezepte auf Vorrat verlangen, erwecke das laut Fehske den Eindruck eines egoistischen Hamsterverhaltens.
Ohne eine abgestimmte allgemeine Orientierung zum Umgang mit knappen Arzneimitteln – wie sie in anderen Priorisierungs- und Kontingentierungssituationen, analog zu den Covid-19-Impfstoffen, gegeben wurde – bestehe die reale Gefahr, dass das Apothekenpersonal eine „Arzneimittel-Triage“ durchführen müsse, schätzt Fehske.
„Ohne allgemein akzeptierte Priorisierungen finden diese Entscheidungen inoffiziell statt – etwa wenn mich Lungenfachärzte bitten, für ihre Patienten als kritisch eingeschätzte Antibiotika nicht mehr an die Patient:innen anderer Ärzte für ‚harmlose Blaseninfektionen‘ abzugeben. Das dürfen Apotheken aufgrund ihres Kontrahierungszwanges jedoch nicht, selbst wenn sie dies für inhaltlich gerechtfertigt halten“, warnt er.
Die Antwort des Ministeriums auf die Engpässe, zum Beispiel bei Antibiotika, seien lediglich Ausnahmegenehmigungen für Einzelimporte gewesen. Diese auf Vorrat zu importieren sei aber potenziell riskant, da Apotheken auf den Beständen sitzen bleiben könnten. Die derzeitigen Verfahren und Anforderungen scheinen daher wenig Anreize zu bieten, diese Praxis in Zukunft wieder aufzunehmen. Der mit Einzelimporten verbundene Mehraufwand wird also nicht nur nicht vergütet, sondern birgt auch das Risiko, bestraft zu werden, weiß Fehske. „Die Apotheken könnten eine letzte Bastion gegen Lieferengpässe sein, aber die aktuellen Strukturen laden nicht dazu ein.“
Der Apotheker fordert eine abgestimmte allgemeine Orientierung, ähnlich wie bei der Covid-19-Impfung, um klare Prioritäten zu schaffen und die Apotheker zu unterstützen. Auch das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (Engpassgesetz, ALBVVG) bringe bisher leider keine praktischen Verbesserungen.
„Daher würde ich mich über jede Form der Unterstützung der Öffentlichkeit, der Betroffenen sowie relevanten Entscheidungsträger im Umgang mit den kurzfristig zu erwartenden Folgen der weiterhin bestehenden Versorgungsengpässe mit Arzneimitteln sehr freuen, wie beispielsweise einer Beschäftigung des Deutschen Ethikrates mit diesem mir wichtig erscheinenden Thema“, schließt der Apotheker seine Anfrage.