Angst vor Abmahnungen

Apotheker versteckt Facebook-Account

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Berlin -

Der erste Apotheker zieht die Social Media-Notbremse und legt seine Facebook-Seite auf Eis: Andreas Binninger aus Düsseldorf hat seine Postings gerade auf „nicht sichtbar“ gestellt. Die Gefahr, die von den Auswirkungen eines aktuellen EuGH-Urteils ausgeht, ist ihm zu hoch. Nicht alle sehen das so, einige Experten geben Entwarnung.

Die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) haben vor zwei Tagen entschieden, dass Betreiber von Facebook-Fanpages gemeinsam mit Facebook dafür verantwortlich sind, wie Daten erhoben und verarbeitet werden. Wie das gehen soll, ist vielen Facebook-Usern allerdings unklar. „Als kleiner Unternehmer bin ich nicht bereit, dieses Risiko einzugehen“, sagt Binninger, der bislang viele interessante Postings veröffentlicht hat. Er hat sich bei seinen Social Media-Aktivitäten vor allem auf Gesundheitsprävention spezialisiert.

„Ich habe das Gefühl, dass die Dramatik und Tragweite dieses Urteils von vielen gar nicht erfasst wird“, sagt der Apotheker, „es birgt erheblichen Sprengstoff.“ Seine Ängste, so Binninger, seien „ganz banal“. „Ich habe Angst vor der Abmahngefahr, die mit diesem Urteil verbunden ist.“ Die aktuelle Lage schätzen nicht alle so ein. Die IHK Schleswig-Holstein zum Beispiel warnt vor Panikmache: „Aus Sicht des EuGH ist für die Datenverarbeitung in erster Linie Facebook verantwortlich, während die Betreiber von Fanpages lediglich Beteiligte sind“, sagt Marcus Schween, Rechtsexperte der IHK Schleswig-Holstein, „gegen einzelne Fanpage-Betreiber vorzugehen ist daher unverhältnismäßig und rechtswidrig."

Und: „Lägen tatsächlich Datenschutzverstöße vor, so kann allein Facebook diese abstellen – und das europaweit mit Wirkung für alle Nutzer und Fanpage-Betreiber." Demgegenüber, so die IHK, hätten Fanpage-Betreiber schlicht keine Möglichkeit, auf die Datenverarbeitung von Facebook Einfluss zu nehmen.

Mit einem Lächeln im Hinblick auf seinen Beruf sagt Binninger: „Bei Facebook sieht man, wohin Abhängigkeit führen kann!“ Er hat erkannt: „Wie viele andere User auch habe ich, was meine Social Media-Aktivitäten betrifft, lange mein Hauptaugenmerk auf Facebook gesetzt.“ Zu lange. Facebook macht, wenn man die positiven Seiten bedenkt, durchaus Vergnügen, man erreicht sowohl als Privatmensch als auch als Unternehmer schnell seine Fangemeinde und Zielgruppe.

Doch nach einigen Daten-Skandalen und dem aktuellen Urteil aus Luxemburg denken viele um. Jetzt ist man als Unternehmer in der Mithaftung, obwohl man absolut keinen Einfluss darauf hat, was Facebook mit den Inputs seiner User macht. Mit dem aktuellen EuGH-Urteil könnten Datenschützer Unternehmer unter Umständen zwingen, ihre Facebook-Fanpage zu deaktivieren. Die Richter haben außerdem geurteilt, dass deutsche Datenschützer gegen Facebook in Deutschland vorgehen können, obwohl Facebook seine Europazentrale in Dublin unterhält.

Nationale Kontrollstellen können demnach direkt Ansprüche gegen Unternehmen geltend machen, ohne die zuständige Kontrollstelle am Hauptsitz des Unternehmens – das wäre dann die irische – zu beauftragen. Apotheker Binninger möchte dieses Risiko nicht tragen: „Wir Apotheker haben berufsrechtlich betrachtet jeden Tag schon genug Risiken, warum soll ich mich diesem auch noch aussetzen?“ Er verlegt seine Social Media-Aktivitäten derzeit auf andere Kanäle, seine Favoriten heißen jetzt Google und Twitter.

Dem Unverständnis und Ärger angesichts des EuGH-Urteils folgt ein kluger Schluss: „Es ist sowieso nicht schlau, nur auf Facebook zu sein.“ Zwar bediente er auch in der Vergangenheit andere Kanäle, verließ sich aber, weil es so schön einfach ist, wie viele andere Unternehmer am Ende doch hauptsächlich auf Facebook.

Jetzt feilt er an einer neuen Vorgehensweise: „Wer jetzt keine Parallel-Strategie hat, hat das Nachsehen. Ich mache jetzt, was ich schon viel früher hätte machen sollen. Es hat sich in den vergangenen Monaten deutlich gezeigt, dass die neuen Algorithmen von Facebook die Sichtbarkeit von Seiten deutlich reduziert hat.“ Natürlich wolle das Unternehmen damit Werbekunden ködern, aber die derzeitige Lage sei ihm zu unsicher: „Ich warte ab, ob Facebook reagiert und uns Mitgliedern die Möglichkeit bietet, nicht in Haftung genommen werden zu können.“

Seine – vorerst letzte – Botschaft an seine Facebook-Freunde: „Es liegt jetzt an Facebook, zu handeln. Bis dahin besteht natürlich weiter die Möglichkeit, den Blog-Seiten direkt per RSS-Feed, via Twitter, Google+ u.a. zu folgen. Es gibt also keinen Grund, etwas zu verpassen.“ Verziehen sich die Wolken wieder, stellt Binninger seine auf unsichtbar gestellte Seite einfach wieder auf sichtbar. Ein Klick und Facebook ist dann wieder Freund des Apothekers.

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