Versorgungswerke

Berufsbild: Kein Karriereverbot für Apotheker

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Berlin -

Deutschlandweit streiten Industrieapotheker um die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar gibt es seit drei Jahren die Möglichkeit, den Anspruch mit einem individuellen Stellenprofil zu untermauern. Doch immer wieder kommt es vor, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) die Freigabe für das Versorgungswerk verweigert. Laut Dr. Holger Herold, Vorsitzender der Sächsisch-Thüringischen Apothekerversorgung, ließen sich Probleme vermeiden, wenn alle Kammern ihre Berufsordnungen sorgfältiger formulierten.

Wer Pharmazie studiert, landet fast immer in der Apotheke: 80 Prozent der 62.000 Approbierten hierzulande arbeiten laut ABDA-Statistik in der Offizin; weitere 4 Prozent in der Krankenhausapotheke. Wer in der Industrie oder in der Verwaltung tätig ist, muss nachweisen, dass seine Aufgaben apothekertypisch sind.

Vor zwei Jahren verständigte sich die Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) mit der DRV darauf, dass Apotheker, die außerhalb der Apotheke arbeiten, bei jedem Jobwechsel ihrem Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht eine Stellen- und Funktionsbeschreibung beifügen. Seitdem gibt es seltener Streit als zuvor; konsistent ist das Vorgehen der DRV aber nicht.

Noch immer landen Fälle vor Gericht. Aktuell sind knapp 20 bei verschiedenen Gerichten anhängige Verfahren bekannt. Vom Clinical Study Manager über den Labor- und Werksleiter bis hin zum QMS-Beauftragten kämpfen Pharmazeuten um die Mitgliedschaft im Versorgungswerk. Zuletzt war das Sozialgericht München zu dem Ergebnis gekommen, dass fast alle mit Pharmazeuten besetzten Positionen in der Industrie auch dem Berufsbild eines Apothekers entsprechen. Bis zum Bundessozialgericht (BSG) hat es allerdings noch kein Apotheker geschafft.

Welche Folgen die Überarbeitung der Bundes-Apothekerordnung (BApO) für die Frage der Befreiung haben wird, ist noch nicht absehbar. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat in Anlehnung an eine entsprechende EU-Richtlinie eine Definition vorlegt, bei der exemplarisch zehn Punkte aufgeführt werden. Herold begrüßt die Aktualisierung im Grundsatz; der Chef des Versorgungswerks in Sachsen und Thüringen fordert aber Nachbesserungen: „Es fehlen klare Aussagen zu Apothekern in der Industrie, an Hochschulen und in der Forschung.“

Seiner Meinung nach hat die Anpassung besondere Brisanz: „Eine umfassende Definition ist wichtig, weil sich die DRV bei der Frage der Befreiung immer auf die BApO bezieht.“ Dieses Vorgehen ist aus Sicht von Herold aber gar nicht korrekt: Denn bereits 2012 hatte das BSG erklärt, dass „anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen“ zu prüfen sei, ob Heilberufler von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreit werden könnten oder nicht.

In dem Verfahren ging es zwar um einen in der Industrie beschäftigten Arzt. Doch laut Herold haben die Richter in Kassel damit im Grundsatz geklärt, dass die Berufsordnungen der Kammern Vorrang vor der BApO haben. Seiner Meinung nach müssen die Apotheker daher auch vor ihrer eigenen Haustür kehren, denn derzeit gebe es „einen Flickenteppich von 17 unterschiedlichen Berufsordnungen“. Nötig sei ein verlässlicher Rahmen, aus dem das Berufsbild abgeleitet werde könnte.

Aus Sicht von Herold ist es problematisch, dass in manchen Berufsordnungen nichts zu Apothekern aus Industrie und Verwaltung steht. Dass das Nebeneinander von 17 verschiedenen Texten die Argumentation gegenüber der Rentenversicherung erschwert, hat man offenbar auch in Berlin erkannt: Im Sommer hatte die Bundesapothekerkammer (BAK) einen Leitfaden zu den Tätigkeitsfelder von Apothekern an die Kammern geschickt. Ziel seien im Kern einheitliche Definitionen in den Berufsordnungen, berichtet Herold.

Sein Kollege aus Westfalen-Lippe geht sogar noch weiter: Nach Meinung von Rudolf Strunk gehört die Entscheidung über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ganz in die Hände der Kammern. Nur sie hätten die Expertise und im Übrigen auch den gesetzlichen Auftrag zur Überwachung der Berufstätigkeit. Für den Fall, dass DRV und Kammer zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen, müssten gesetzliche Regelungen gefunden werden, sagt Strunk. Bislang erstellen viele Kammern auf Anfrage entsprechende Gutachten für ihre Mitglieder; rechtlich bindend für die DRV sind diese allerdings nicht.

Strunk zufolge haben die Apotheker derzeit weniger Probleme als Ärzte und vor allem Rechtsanwälte, die nach einem BSG-Urteil aus dem vergangenen Jahr derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dafür kämpfen, auch als Angestellte eines nichtanwaltlichen Arbeitgebers Mitglied im Versorgungswerk bleiben zu können. Auch auf politischer Ebene gibt es entsprechende Vorstöße.

Doch ganz entziehen können sich auch die Apotheker der andauernden Debatte nicht. Dabei seien die Argumente, die gegen die Befreiung vorgetragen würden, oft „unerträglich“. Strunk verweist auf den Industrieapotheker, der als Betreuer für Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) nicht anerkannt wird, oder den Arzt, der sich am Ende seiner Karriere im Krankenhaus als Verwaltungsdirektor plötzlich rechtfertigen muss. In der Branche hat sich der Begriff des „verkappten Karriereverbots“ etabliert.

Laut ABV-Hauptgeschäftsführer Peter Hartmann resultieren die Konflikte aus der unklaren Formulierung im Sozialgesetzbuch (SGB-VI). Demnach werden Selbstständige und Angestellte von der Versicherungspflicht befreit „für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind“.

„Das Problem ist die Formulierung 'wegen der', denn die Rentenversicherung will nur für solche Tätigkeiten befreien, die ausschließlich von dem Berufsstand ausgeübt werden können“, so Hartmann. So würden Befreiungsanträge mit der Begründung abgelehnt, dass die konkrete Stelle auch mit anderen Akademikern besetzt werden könne. „Mit diesem Argument wird das gesamte Befreiungsrecht unterlaufen, insbesondere wenn die Tätigkeit ausschließlich an Angehörige der befreiungsfähigen Freien Berufe adressiert ist. Es müsste doch darum gehen, für berufstypische – und nicht berufsexklusive – Tätigkeiten befreit zu werden.“

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