Apotheker und Testkäufer in privater Mission Carolin Ciulli, 03.06.2019 09:45 Uhr
Apotheker Dr. Erol Yilmaz wollte es wissen: Wie beraten die Kollegen? Der Pharmazeut war in den vergangenen elf Jahren als privater Testkäufer in 132 Apotheken. Sein Urteil: Die Beratungsqualität sei teilweise mangelhaft. Als er sich zu erkennen gab, wurde er teils heftig beschimpft.
Aspirin Complex ist ein gängiges Kombipräparat in der Erkältungszeit. Yilmaz fragte in Apotheken in Berlin, Ulm und im Ruhrgebiet nach dem OTC-Präparat. Die Ergebnisse dokumentierte er: In jeder fünften Apotheke wurde ihm lediglich der Preis genannt. Die Mehrheit (38 Prozent) nannte den Preis und gab Einnahmehinweise. Knapp ein Drittel stellte darüber hinaus noch weitere Fragen.
Ein leitliniengerechtes Abfragen und informieren über die Einnahme des Präparats nach Vorgaben der Bundesapothekerkammer (BAK) begegnete ihm in lediglich neun Apotheken. „Das ist traurig und erschreckend“, sagt er. Die Aufgabe von Apotheker und PTA sei es, nachzufragen. „Die Kollegen haben es fachlich drauf, kommen aber oft erst damit, wenn der Kunde fragt.“
Die Tests führte er privat aus Eigeninteresse durch. Nach dem Kauf beziehungsweise Nicht-Kauf gab er sich in der Apotheke als Kollege zu erkennen. Die Reaktionen seien oft ablehnend gewesen. „Ich bin nicht in die Apotheken gegangen, um Kollegen bloßzustellen“, betont er. Nach seinem Outing sei er trotzdem manchmal sogar beschimpft worden. Yilmaz sei gefragt worden, ob er ein Spion sei oder ob ihn die Konkurrenz geschickt habe. „Es gab aber auch Apotheken, die es gut fanden“, stellt er klar.
Das Interesse an der Beratung in Apotheken entstand aus einem eigenen Sinneswandel heraus. 2007 wurde er das erste Mal selbst gecoacht. „Dabei wurde mir klar, dass wir mehr sind als nur Schubladenzieher.“ Er begann, damals noch als angestellter Approbierter, die Medikation zu hinterfragen und Zusatzempfehlungen auszusprechen. „Die Beratung bleibt in den Köpfen hängen und die Kunden reagieren begeistert und empfehlen die Apotheke weiter.“
Viele Verbraucher vertrauten allein auf TV- und Zeitschriftenwerbung. Apotheken seien jedoch nicht Abgabestellen, sondern müssten sich als Kompetenzzentren darstellen. Seine „goldene Regel“: Sympathie, Empathie und Pharmazie. Es geht nicht um das Verkaufen, sondern um die Beratung. Und hier sieht er durchaus Nachholbedarf: Hätte er Asthma, Bluthochdruck oder wäre Marcumar-Patient – in mehr als 60 Prozent der von ihm besuchten Apotheken hätte es für ihn lebensgefährlich werden können, so sein drastisches Fazit.
Sein eigenes Engagement in der Beratung kam als Angestellter im Team nicht immer gut an. „Kollegen beschwerten sich beim Chef über mich oder der Inhaber kritisierte, dass ich zu viel Zeit mit einem Kunden verbrachte“, erinnert sich der Pharmazeut. Der Apotheker wollte sein eigenes Konzept fahren und machte sich 2008 mit der Central Apotheke Witten bei Dortmund selbstständig. Auch mit der Apothekerkammer ist er deshalb mittlerweile in Kontakt.
In seiner Apotheke führt er Kundenzufriedenheitsanalysen durch. Dabei setzt er auf Telefoninterviews: „Ich rufe nach einer Weile an und frage, ob die Medikation geholfen hat.“ Die Reaktionen seien durchweg positiv. „Die Kunden fühlen sich gut betreut und ernst genommen.“