Fläschchenzählen vor dem Lieferanten

Apotheker über den Impfstoff-Wahnsinn

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Berlin -

Die Belieferung der Ärzt:innen mit Covid-19-Impfstoff ist für viele Apotheken ein deutlicher Mehraufwand. Apotheker Hubertus Nehring hält die Vergütung von 6,58 Euro je Vial für deutlich zu wenig. „Das ist eine Frechheit“, sagt der Inhaber der Apotheke am Markt in Winsen. Er beliefert 17 Praxen und ist allein mit der Auslieferung mit zwei Angestellten einen halben Tag beschäftigt.

In dieser Woche liefert Nehring 195 Vials Comirnaty und 40 Vials Janssen aus. Die Bestellung von Vaxzevria ist noch nicht angekommen. Der Impfstoff von AstraZeneca werde „zu einem unbestimmten Datum“ vom Großhändler geliefert, so Nehring. „Das Problem dabei ist nun wiederum, dass Ärzte natürlich bereits Termine für Patienten gemacht haben und nicht genau wissen, ob und wann sie diese tatsächlich impfen können.“ Außerdem müsse er die Praxen deshalb ein weiteres Mal anfahren.

Nicht nur die Auslieferung an die Ärzt:innen ist ein deutlicher Mehraufwand. Auch bei der Anlieferung entstehe viel Arbeit, sagt Nehring. Der Impfstoff müsse in Anwesenheit des Lieferanten gezählt werden. Bei 195 Fläschchen Comirnaty dauere das. Der Inhaber markiert jedes Vial mit einem schwarzen Punkt, um nicht durcheinander zu kommen. „Es ist eine Herausforderung, diese Anzahl von Flaschen zu zählen und umzupacken. Da kann man wahnsinnig werden.“ Die Vials werden in eine Steckmasse verfrachtet, damit sie nicht umfallen und erschütterungsfrei geliefert werden können.

Auch das Sortieren des Zubehörs dauere. „Wir bekommen es nicht fertig gepackt pro Vial, sondern müssen nun auch 1000 Spritzen, Kanülen und Kochsalzlösung entsprechend den Bestellungen aus den Praxen umverpacken.“ Dann müsse für jede Praxis beziehungsweise für jede Ärzt:in entsprechend der Aufkleber für den Impfpass ausgeschnitten und zugeteilt werden.

Dazu komme die Bestellannahme und der komplizierte Bestellablauf beim Großhandel. Bei einer Bestellung von 1000 Dosen müsse er mindestens 4 Stunden Zeit einplanen. „Alles ist extrem arbeitsaufwändig und langatmig, deshalb rege ich mich auch über die sehr schlechte Bezahlung auf.“ Deshalb musste Nehring auch zwei Betriebsärzt:innen eine Absage geben, da er personell die zusätzliche Impfstofflieferung nicht stemmen kann.

Momentan gebe es offenbar auch ein Problem, 1-ml-Spritzen zu bekommen. Diese seien für die Impfung vorgesehen, aber offenbar am Markt nicht zu beschaffen. „Daher wurden wir mit 2-ml-Spritzen beliefert, was natürlich bezüglich Applikation und Genauigkeit nicht gut ist.“ Wenn man im Internet recherchiert, finde man Packungen mit 100 Stück der passenden Spritzen für einen Preis zwischen 50 und 100 Euro. „Da muss man sich natürlich auch die Frage stellen, warum es in unserem modernen Staat ein Problem mit 1-ml-Spritzen geben kann.“

Auch die Abda sieht bei der Vergütung Nachholbedarf: Sie fordert pro Vial ein Honorar von mehr als 18,08 Euro netto und einen Ausgleich der Unterdeckung aus der Vergangenheit. Die neue Impfverordnung wird laut einem Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) voraussichtlich am Mittwoch im Kabinett behandelt und dann bekanntgegeben.

 

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