Zinsnot in Sozialkassen

Apotheker sorgt sich um Betriebsrente

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Berlin -

Die seit Jahren anhaltende Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) belastet nicht nur die Apothekerversorgungswerke, zunehmend jetzt auch Sozialversicherungen, staatliche Fonds und Krankenkassen. Alle müssen heute für angelegte Gelder Zinsen zahlen, statt wie früher Zinsen zu bekommen. Apotheker Ulrich Geltinger von der St. Johannes-Apotheke in Neumarkt-Sankt Veit sorgt sich infolgedessen um die Betriebsrente seiner Mitarbeiter. Reißen alle Sicherungen, muss er am Ende persönlich für die Zusagen einstehen.

Wie fast alle Apotheker hat auch Geltinger für seine 13 Mitarbeiter die tarifvertraglich vereinbarte Altersvorsorge abgeschlossen – als Lebensversicherung wie die meisten seiner Kollegen. 1400 Euro zahlt er monatlich dafür an die Lebensversicherungen. Seit Monaten aber häufen sich Berichte, die die Zukunft der Branche in Zweifel ziehen. Zuletzt wurde bekannt, dass die Generali Lebensversicherung mit vier Millionen Verträgen und dem bisher größte Policen-Bestand in Deutschland an einen externen Abwickler verkauft werden soll. Das Neugeschäft des Lebensversicherers hatte Generali schon Anfang des Jahres eingestellt und ihn damit in den sogenannten „Run-Off“ geschickt, berichtete die FAZ.

Und seit Jahren spüren Lebensversicherungskunden an ihren jährlichen Versicherungsmitteilungen, dass die Kapitalanlagen nur noch geringe Renditen abwerfen. Jahr für Jahr werden die Überschussbeteiligungen und damit die versprochenen Auszahlungssummen gekürzt. Das ließ auch Geltinger keine Ruhe: „Monat für Monat zahlen die deutschen Apothekenleiter brav Beiträge im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge an diverse Versicherungsunternehmen – nicht ahnend, dass sie hierdurch eine immense Forderung gegen sich generieren, die im schlimmsten Falle geeignet ist, ihre Existenz zu vernichten und ihr Privatvermögen aufzuzehren.“

Über 40 Pensionskassen stünden bereits unter der intensiven Überwachung der Bankenaufsicht, da sie zugesagte Pensionszahlungen nicht mehr leisten könnten, die Versicherer müssten bereits Garantieleistungen der Betriebe in Anspruch nehmen. Um liquide zu bleiben, seien auch schon Darlehen aufgenommen worden, so der Apotheker.

Die meisten Apotheken hätten sich zur Umsetzung der betrieblichen Altersvorsorge für Lebensversicherungen entschieden. Im Falle des Unterganges des Versicherungsunternehmens müsse die Protektor AG für die Pensionen zwar garantieren, „da aber im Falle des Falles Summen im Raume stehen, welche sich jeglicher Vorstellungskraft entziehen, wird auch diese letzte Sicherung versagen“.

Geltinger: „Und so werden es die Apothekenleiter sein, die für die garantierten Pensionszahlungen einstehen müssen, ohne jegliche Haftungsbeschränkung. Da diese Verpflichtung auf dem Betrieb ruht, wird dies zwangsläufig zur Unverkäuflichkeit der Apotheke führen, und so lange keine Insolvenz eintritt, den Apothekenleiter zum Sklaven seiner eigenen betrieblichen Altersvorsorge machen.“

Geltinger ist bewusst, dass er mit drastischen Worten das absolute „Worst-Case-Szenario“ beschreibt. Denn in der Tat ist die Absicherung der Lebensversicherungen durch die Protektor AG – ein gesetzlich vorgeschriebener Sicherungsfonds der Versicherer – sehr weitreichend. Knapp 10 Milliarden Euro kann Protektor nach eigenen Angaben im Insolvenzfall abfedern. Ob das aber bei über 80 Millionen Verträgen und einer Gesamtanlagesumme von 90 Milliarden Euro reicht?

Jedenfalls ist die Null-Zins-Krise für Anleger inzwischen in den Sozialkassen angekommen: So habe die Rentenversicherung für 2017 erstmals sogenannte negative Vermögenserträge von 49 Millionen Euro ausweisen müssen, schreibt das „Handelsblatt“. Für das laufende Jahr rechne man mit einem negativen Wert in ähnlicher Höhe, zitiert die Zeitung aus einem Papier des Leiters des Geschäftsbereichs Finanzen, Wilfried Husmann.

Die Rentenversicherung leidet dem Bericht zufolge besonders unter der EZB-Geldpolitik, da sie ihr Geld größtenteils für maximal zwölf Monate und sehr konservativ anlegen müsse. Andere Sozialkassen hätten ebenfalls Probleme. So seien beim Gesundheitsfonds Negativzinsen in Höhe von 4,5 Millionen Euro angefallen.

Betroffen seien auch die gesetzlichen Krankenkassen. „Allein im ersten Halbjahr sind in der AOK-Gemeinschaft sechs Millionen Euro an Negativzinsen angefallen. Gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum bedeutet dies eine Zunahme um rund 25 Prozent“, sagte der Chef des Finanzmanagements beim AOK-Bundesverband, Andreas Grein, der Zeitung.

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