Videoüberwachung

Apotheker setzt fünf Kameras durch

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Berlin -

Ein Warenschwund von nahezu 10 Prozent veranlasste einen Apotheker aus dem Saarland, seine Apotheke mit Kameras zu überwachen. Mit drei Geräten filmte er die Offizin, zwei weitere waren im Backoffice angebracht. Doch das ging dem Datenschutzbeauftragten zu weit. Er untersagte im Sommer 2014 die Überwachung. Der Apotheker klagte und bekam nun in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Saarlouis (OVG) in allen Punkten recht.

Der Apotheker hatte die Apotheke 2008 übernommen. Das Gutachten einer Unternehmensberatung attestierte der Apotheke einen außerordentlich schlechten Ertrag. Als Ursache vermutete der Gutachter Diebstahl, und zwar hauptsächlich von den Angestellten. Die zunächst vorgenommene Installation versteckter Kameras habe aber zu einem „personellen Desaster“ geführt.

Die Kameras wurden entfernt und eine offizielle Videoüberwachung eingeführt. Zunächst wurden drei Kameras im Verkaufsraum angebracht. Als im Jahr 2011 trotzdem eine Lagerdifferenz von 44.000 Euro auftrat, installierte der Inhaber zwei weitere Kameras, eine in der Schleuse und eine im Bereich des BtM-Schranks. Die Mitarbeiter unterschrieben eine Einverständniserklärung.

Der Datenschutzbeauftragte des Saarlandes untersagte die Überwachung. Nur die Kamera in der Schleuse sei zulässig, wenn darauf entsprechend hingewiesen werde. Im gegebenen Umfang sei die Überwachung dagegen nicht erforderlich, zumal die Umstände des Warenschwunds unklar geblieben seien. Letztlich fehle in der Einverständniserklärung der Mitarbeiter eine konkrete Zweckbeschreibung für die aufgezeichneten Daten.

Das Verwaltungsgericht Saarlouis gab in seinem Urteil vom 29. Januar 2016 beiden Seiten recht: Der Bescheid des Datenschützers war aus Sicht der Richter bezüglich der Videokameras im Verkaufsraum berechtigt. Im begrenzten Bereich des BtM-Schranks durfte der Apotheker dagegen wegen der Einverständniserklärung der Mitarbeiter filmen. Beide Seiten gingen gegen die Entscheidung in Berufung.

Vor dem OVG setzte sich der Apotheker in allen Punkten durch. Die Richter hatten sich die Apotheke selbst angesehen. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Kameras in der Offizin den gesetzlichen Vorgaben zur Verarbeitung personenbezogener Daten genügen. Auch die am BtM-Schrank angebrachten Kamera sei in Ordnung. Die Verfügung des Datenschützers sei daher insgesamt rechtswidrig und aufzuheben.

Für die Richter unter anderem maßgeblich: Die Kameras in der Offizin filmen nur den Bereich vor dem HV-Tisch, so dass die Angestellten nicht die gesamte Zeit überwacht würden – für diesen Fall sieht das Bundesdatenschutzgesetz andere Anforderungen vor. Sofern die Mitarbeiter sich gelegentlich im öffentlich zugänglichen Teil der Offizin aufhalten, ist die Überwachung laut Urteil mit den berechtigten Interessen des Inhabers gerechtfertigt.

Denn mildere Mittel, um in dem sozialen Brennpunkt Diebstahl zu vermeiden, sahen die Richter nicht: Der Einsatz von Wachpersonal sei wegen der viel höheren Kosten keine Alternative. Auch die Überwachung des Verkaufsraums durch die Mitarbeiter selbst sei nicht zu verlangen, da diese überwiegend mit der Beratung der Kunden beschäftigt seien – wie die Richter bei der Ortsbegehung festgestellt hatten.

Für die Kunden sei die Videoüberwachung ebenfalls kein zu tiefgreifender Einschnitt in ihre Persönlichkeitsrechte. „Mit dem Besuch einer Apotheke ist eine ‚Ehrenrührigkeit‘ oder sonstige Eingriffstiefe grundsätzlich nicht verbunden“, heißt es in der Urteilsbegründung. Da Apotheken auch Kosmetik und andere Wellness-Produkte verkauften, sei der Besuch einer Offizin auch kein Indiz für das Vorliegen einer Krankheit. Die Auflösung der Videos dürfte zudem kaum ausreichen, um bei der Übergabe den Aufdruck auf der Packung oder gar die Schrift auf dem Rezept zu lesen.

Im Übrigen sei auf den Videos nichts zu sehen, was nicht jeder andere Kunde in der Apotheke auch sehen könnte. Die theoretische Gefahr, dass der Apotheker die Videos einfach so im Internet veröffentlichen könnte, rechtfertige kein Verbot – denn sonst sei eine Videoüberwachung so gut wie nie zulässig, so das Gericht. Wichtig ist, dass der Apotheker außen auf die Überwachung hinweist, was in diesem Fall geschieht.

Die Videoüberwachung am BtM-Schrank während der Öffnungszeiten hatte der Inhaber unter anderem damit begründet, dass in der Vergangenheit Amphetamin entwendet worden sei. Damit bestand aus Sicht des Gerichts zumindest ein Anfangsverdacht. Interessante Begründung: Den BtM-Schrank zwischen jeder Benutzung verschlossen zu halten und den Zugang auf wenige Mitarbeiter zu beschränken, erschien dem Gericht nicht als wirksames milderes Mittel. Die Entnahme werde zwar im Einzelfall dokumentiert, dies erfordere aber einen gewissen Aufwand könne „unter Umständen in der Hektik des Alltagsgeschäfts vernachlässigt werden“, so die Richter.

Beim Besuch der Apotheke hatte sich das Gericht zudem davon überzeugt, dass die Kamera nur einen sehr eng abgegrenzten Bereich erfasst, in dem sich die Mitarbeiter nur ausnahmsweise aufhalten. Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte sei also wesentlich geringer als bei einer dauerhaften Überwachung des Arbeitsplatzes. Die Überwachung erfolge zudem nicht heimlich und verdeckt.

Der Apotheker konnte vor Gericht die Einwilligungserklärung aller Mitarbeiter vorlegen. Eine Weitergabe der Aufnahmen sei nicht vorgesehen, die gespeicherten Daten würden nach zwei Wochen wieder gelöscht. Die Einwilligungserklärung genügte in ihrer Form laut Urteil auch den Anforderungen des BDSG. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Mitarbeiter nicht freiwillig unterschrieben hätten. Es handele sich auch nicht um eine „Blanko-Erklärung“, zumal den Beschäftigten die Auseinandersetzung mit der Datenschutzbehörde bekannt sei.

Der Berufung des Apothekers wurde stattgegeben, die des Datenschützers zurückgewiesen. Damit sind alle vier Kameras zulässig, die fünfte in der Schleuse hatte auch der Datenschützer nicht bemängelt. Das OVG hat keine Revision gegen seine Entscheidung zugelassen. Der Beschluss ist unanfechtbar.

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