Offizin statt eigener vier Wände

Apotheker schockiert: Kundin ignoriert Corona-Quarantäne

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Berlin -

Was sich in der vergangenen Woche in der Stadt-Apotheke Cuxhaven zugetragen hat, wird viele Apothekenmitarbeiter verständnislos mit dem Kopf schütteln lassen: Eine ältere Dame betrat mit einem Schal vermummt die Offizin und ließ sich von Inhaber Dr. Stephan Hahn beraten. Während des Gesprächs stellte sich heraus, dass sie eigentlich unter Quarantäne steht, weil sie sich mit dem Coronavirus infiziert hat.

Der unglaubliche Fall trug sich am Donnerstagmorgen zu. Hahn hatte in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag Notdienst gehabt. Da die Apotheke regulär erst um 8.30 Uhr öffnet, waren die Türen eigentlich noch geschlossen. Doch der Apotheker sah die gebrechliche Frau vor der Türe stehen und öffnete kurzerhand, um sie mit ihrem Rollator in die Offizin zu lassen. „Sie trug Handschuhe und war mit einem dicken Schal vermummt“, berichtet er. Ein solcher Anblick sei derzeit jedoch nichts Ungewöhnliches, da viele Menschen Angst hätten sich zu infizieren.

Der Apotheker ging mit der Dame zum HV-Tisch, um sie zu beraten. Sie verlangte etwas zur Immunabwehr. „Ich bin also dann um den HV-Tisch herum gegangen, da die Immunpräparate in der Freiwahl hinter ihr standen“, erklärt Hahn. „Als ich an ihr vorbeiging, warnte mich innerlich irgendetwas.“ Er fragte die Dame daraufhin also, ob sie Angst habe, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Daraufhin entgegnete sie hemmungslos, dass sie sich bereits seit zehn Tagen in Quarantäne befinde. „Da fällt mir nichts mehr zu ein“, sagt Hahn.

Es sei zwar unklar, wie die Frau den Begriff „Quarantäne“ genau gemeint habe – ob es sich um eine behördlich angeordnete Sperre oder eine freiwillig auferlegte Maßnahme handelte – der Apotheker jedoch tat das einzig Richtige: „Ich habe gar nicht diskutiert, sondern sie direkt der Apotheke verwiesen“, erklärt er. Doch das habe sie zuerst nicht wirklich ernst genommen. „Ich musste mich mehrfach wiederholen und das auch in gesteigerter Lautstärke.“ Schließlich sei sie dann gegangen und habe sich im Herausgehen mehrfach entschuldigt. Hahn ist sich sicher, die Dame hatte den Ernst der Lage nicht verstanden. „Viele sehen das noch immer nicht als real an, wir sind in einer besonderen Situation.“

Der Apotheker und eine Mitarbeiterin, die sich bereits mit in der Apotheke befand, waren fassungslos. Nachdem die Frau die Apotheke verlassen hatte, schloss Hahn die Apotheke zunächst wieder. „Wir haben uns reflexartig die Hände desinfiziert – totaler Schwachsinn“, weiß auch er im Nachhinein. „In dem Moment war es jedoch eine totale Übersprungshandlung.“ Da schließlich auch der Dienstbeginn anstand, trudelten nach und nach die anderen Mitarbeiter durch die bis zum Vorfall geöffnete Türe ein. „Die sind alle womöglich durch die Aerosolwolke der Dame gelaufen“, meint Hahn. Schließlich habe er keine Chance gehabt, jemanden vorzuwarnen.

Nach dem Vorfall informierte der Apotheker daher zunächst das Gesundheitsamt, um eine Rückmeldung zu erhalten, ob die Apotheke weiter geöffnet bleiben darf. Doch diese Rückmeldung ließ auf sich warten: Rund vier Stunden dauerte es, bis Hahn die Erlaubnis zur Öffnung erhielt. „Da der Face-to-Face-Kontakt unter 15 Minuten lag, wurde mir gesagt, es bestehe kein Infektionsrisiko.“ Dennoch waren alle Mitarbeiter verunsichert und geschockt über den Vorfall. „Wir mussten uns erstmal wieder sammeln“, erklärt Hahn. Während der Wartezeit habe vorsichtshalber keiner der Mitarbeiter die Apotheke verlassen.

Aufgrund solcher Ereignisse hat der Apotheker kein Verständnis für die derzeitigen Regelungen: „Ich verstehe nicht, warum die Ausgangssperre nicht kommt“, erklärt er. Man müsse mit Vernunft und notfalls auch mit Nachdruck handeln. Dabei sei es egal, ob man zur Risikogruppe zähle oder nicht. „Wir haben es mit einem Gegner zu tun, den man nicht sieht und den man nicht mit den Sinnen erfassen kann – das ist anders als im Kalten Krieg.“ Entscheidend sei derzeit also, sich bestmöglich zu schützen. Auf die notwendigen Plexiglasscheiben wartet die Apotheke allerdings noch. Das Angebot sei mittlerweile knapp und vor allem online sehr undurchsichtig und auch unseriös geworden. Daher hat der Apotheker nun eine örtliche Firma beauftragt. „Ich möchte etwas Dauerhaftes haben, was auch nach den Corona-Zeiten stehen bleibt“, erklärt er. In anderen Ländern sei eine Trennwand zwischen Personal und Kunden längst Standard. „Ich finde das gar nicht so verkehrt – schließlich gibt es nicht nur Corona.“

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