Protestaktion

Apotheker ruft zum Import-Boykott auf APOTHEKE ADHOC, 10.08.2018 11:52 Uhr

Berlin - 

Wird das Thema Arzneimittelsicherheit öffentlich diskutiert, stehen die Apotheker sofort im Zentrum der Debatte. Sei es beim Valsartan-Rückruf oder im Lunapharm-Skandal – die Apotheker müssen die Sorgen der Leute am HV-Tisch abfangen. Deshalb sollten sich die Kollegen umso mehr für die Arzneimittelsicherheit stark machen, meint Apotheker Dr. Franz Stadler (Sempt-Apotheke, Erding). Er findet, ein „Warnstreik“ bei der Erfüllung der Importquote könnte helfen. Eine Kollegin hat in derselben Sache eine Petition gestartet.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich zum Deutschen Apothekertag (DAT) in München angekündigt. Spätestens dort sind aus Stadlers Sicht Grundsatzfragen zu besprechen: „Es geht um die Zukunft der Apotheke.“ Angesichts der laufenden Vergütungs- und Strukturdiskussionen sei das Wort nicht zu hochgegriffen. „Aber es geht nicht nur um die Apotheken an sich, sondern auch um die von ihnen vertretenen Werte, Arzneimittelsicherheit und Vertrauen in die Versorgung. Trotzdem verhalten sich die Apotheken und ihre Standesvertreter weitgehend ruhig – zu ruhig“, so Stadler.

Schlagworte der jüngeren Vergangenheit: Honorargutachten, Rx-Versandverbot, Importquote, Strukturfonds für Landapotheken inklusive Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes, Großhandelsfixum. Zur ganzen Wahrheit gehörten aber auch Lieferengpässe, gestohlene und gefälschte Arzneimittel und eine steigende Verunsicherung bei den Patienten. Die Zahl der Nachfragen wegen Lunapharm, Valsartan oder anderen Skandalen haben auch in Stadlers Apotheken zugenommen. „Der Wert Arzneimittelsicherheit ist gefährdet, das Vertrauen geht langsam, aber sicher verloren.“

Stadler wurde nach eigenen Angaben selbst von Politikern gefragt, warum sich die Apotheker politisch so ruhig verhielten und vom großen Politikbetrieb kaum wahrgenommen würden. „Wieso nimmt man uns nicht als Hüter der Arzneimittelsicherheit wahr?“, fragt sich Stadler. Er fühlt sich von der Politik – wie viele seiner Kollegen – nicht genug wertgeschätzt. Dafür hat Stadler kein Verständnis: „Für die Versorgungs-, aber auch für die Fürsorgeleistung ist es wichtig, dass wir in der Fläche vorhanden sind, dass wir verantwortlich und kontrollierbar arbeiten und dass wir von unserer Arbeit leben können.“

Der Apotheker vermutet, dass sein Berufsstand einfach zu korrekt ist, um im Politikbetrieb ausreichend wahrgenommen zu werden. Apotheker würden, oft sogar in vorauseilendem Gehorsam, alle ihre Kräfte für den Erhalt dieses Systems einsetzen. Sie würden zwar intern murren, aber nur selten ihren Unmut laut äußern. „Sind wir zu wenig aufmüpfig?“, fragt sich Stadler.

Am Beispiel der Importquote – ein Lieblingsfeind Stadlers – würde er gern ein Exempel statuieren. Die Quote ist für Stadler ein „Einfallstor für Fälschungen und Diebesgut“, unkontrollierbar und aufgrund des Abzugs der Arzneimittel aus anderen Märkten auch unethisch. Er appelliert an die Kollegen, unabhängig von der geltenden Gesetzeslage, diesen Teil des Systems aus Gründen der Arzneimittelsicherheit nicht mehr mitzutragen. Denn die Apotheker sollten Stadler zufolge immer zuerst auf der Seite der Arzneimittelsicherheit stehen.

Sein radikaler Vorschlag: „„Wir geben einfach keine Importarzneimittel mehr ab! Wir verzichten auf unsere Preisvorteile und Rabatte, schultern die Importquote zunächst selbst oder aus unseren Guthaben heraus und klagen dann einer nach dem anderen gegen mögliche Retaxationen.“ Lobbyisten und Politiker hätten in der Folge gegenüber den Patienten zu rechtfertigen, warum sie diesen Unsinn nicht abschaffen.

Möglichkeiten des Protests sieht Stadler viele, zum Beispiel Poster im Schaufenster: „Hier ist eine importfreie Zone! Wir stehen für Arzneimittelsicherheit.“ Die Apotheker könnten Inserate schalten, Politiker anschreiben und so weiter. „Wir müssen es nur wollen! Und exemplarisch unsere Schlagkraft demonstrieren. Wäre das nicht eine gute Aktion zum richtigen Zeitpunkt?“

Parallel hat Dr.Gabriele Röscheisen-Pfeifer, Inhaberin der Dobben-Apotheke in Oldenburg, eine Petition an das Bundesgesundheitsministerium zur Abschaffung der Importquote „Gründen der Arzneimittelsicherheit“ gestartet. Alle Apotheken in Deutschland würden gesetzlich gezwungen, einen prozentualen Anteil als Importe abzugeben, um Kosten für die Krankenkassen zu sparen. „Die verlängerte Lieferkette weist ein enormes Potential an Sicherheitslücken im Ausland auf“, begründet sie ihren Vorstoß. „Fälschungen, Fehler bei der Lagerung und Transport können die Apotheken in Deutschland nicht mehr erkennen. Trotz dieser großen Gefahr und trotz wiederholter Kritik ist die Importquote noch immer gesetzlich vorgeschrieben.“

Die Petition ist am 28. Juli gestartet, bislang gibt es weniger als 500 Unterstützer. Erst ab 50.000 Unterschriften ist das Quorum erreicht, dann gibt OpenPetition die Initiative an den Bundestag weiter.