Rechenzentren machen Verbänden Konkurrenz Patrick Hollstein, 24.09.2014 15:06 Uhr
Die Apothekerverbände bekommen in Sachen Hilfsmittelversorgung zunehmend Konkurrenz von den Rechenzentren. Nach dem ARZ Haan bietet jetzt auch AvP eine eigene Clearingstelle an. Parallel läuft das Wettrennen um die Anzeige von Hilfsmittelverträgen in der Apotheken-EDV.
Das ARZ Haan hatte vor acht Jahren für den Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) die technischen Voraussetzungen für dessen Clearingstelle geschaffen. Mittlerweile arbeiten alle Verbände außer Bayern und Baden-Württemberg bei Hilfsmitteln mit dem Rechenzentrum zusammen. Als dieses seine Gebühren erhöhte, pochte der AVWL auf seinen Sonderstatus. Nach der Kündigung des bestehenden Vertrags Ende März wurde keine neue Vereinbarung getroffen, seitdem streiten die ehemaligen Partner vor Gericht.
Nach der Trennung richtete das ARZ Haan prompt seine eigene Clearingstelle ein: Seit Anfang April können die Kunden unter Angabe der Apotheken-IK das Rechenzentrum mit der Prüfung entsprechender Verordnungen beauftragen. Auch die Clearingstelle des AVWL ist seit Anfang Juni wieder in Betrieb; für die Programmierung war das NARZ als Konkurrent des ARZ Haan eingesprungen.
Jetzt gibt es auch von AvP eine Clearingstelle. Das private Rechenzentrum hat seit jeher Erfahrung mit Hilfsmitteln, denn eine Tochterfirma rechnet auch für Sanitätshäuser ab. Im vergangenen Jahr hatte AvP eine Hilfsmitteldatenbank auf den Markt gebracht, mit der Apotheker direkt in ihrer Warenwirtschaft einsehen können, welchen Verträgen sie beigetreten sind und zu welchen Konditionen sie abrechnen können – ohne jeden Vertrag individuell einpflegen zu müssen.
Umgesetzt wurde das Projekt zunächst mit dem AvP traditionell nahe stehenden Softwarehaus ADG. 500 Apotheker nutzen die Software – sie müssen keine Kunden des Rechenzentrums sein. 550.000 Rezepte wurden bislang geprüft, das Rechenzentrum hat in den vergangenen Monaten noch einmal nachgebessert: „Wir hatten zu viele gelbe Meldungen. Apotheker brauchen aber eine klare Ansage, ob sie beliefern können oder nicht“, sagt AvP-Chef Klaus Henkel.
Er hofft, dass sich sein Modell schnell am Markt etabliert, denn er will sich im Hilfsmittelbereich als Komplettdienstleister positionieren. Die Datenbank wurde daher auch anderen EDV-Anbietern angeboten: Asys und ADV haben die entsprechende Schnittstelle bereits umgesetzt und wollen im Oktober mit dem Roll-out beginnen. Lauer-Fischer hat ebenfalls Interesse bekundet.
Die Gespräche mit Awinta sind dagegen offenbar im Sande verlaufen. Womöglich spielt Firmenchef Florian Giermann auf Zeit, denn sein Softwarehaus gehört zum Rechenzentrum VSA, das ebenfalls an einer eigenen Hilfsmitteldatenbank arbeitet. Voraussichtlich im ersten Quartal soll das Projekt abgeschlossen sein.
Auch die Apothekerverbände wollen mit einem Online-Vertragsportal (OVP) ihre Mitglieder bei der Belieferung von Hilfsmittelrezepten unterstützen. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Fritz Becker, hatte das Portal bereits beim Wirtschaftsforum angekündigt; im Juli sollte es losgehen.
Doch es gibt Verzögerungen: „Es hakt an einigen Stellen“, räumt Becker ein. Man brauche schnellstmöglich eine Schnittstelle zur Warenwirtschaft, damit die Datenbank direkt aus der EDV angesteuert werden könne. „Es nützt ja nichts, wenn man die Verträge erst nachlesen muss.“
80.000 Euro hatte der DAV dem Vernehmen nach der ABDATA für die Entwicklung zur Verfügung gestellt. Becker hofft, dass die Verbände am Ende gegenüber vergleichbaren Produkten einen Vorteil haben: „Wir kennen alle Verträge, da die Apotheker sie melden müssen. Niemand muss also erst seine Daten einpflegen.“ Dass die Rechenzentren nun auch mit eigenen Clearingstellen aufwarten, sieht er gelassen: „Das ist doch gesunder Wettbewerb.“