Rothenburg

Apotheker rebellieren gegen Notdienstplan Patrick Hollstein, 06.12.2016 10:47 Uhr

Berlin - 

Weniger Apotheken, das bedeutet auch: häufiger Notdienst. Obwohl die nächtliche Bereitschaft seit mehr als drei Jahren mit rund 280 Euro abgegolten wird, bleibt sie eine eher unangenehme Pflicht. Dabei kann es einen großen Unterschied machen, zu welchem Notdienstkreis man gehört. Regelmäßig kommt es zu Streit, wenn die Zuständigkeiten neu gezogen werden müssen. In Bayern erhielt die Kammer jetzt Rückendeckung: Sie muss nicht auch noch die Fahrzeiten bei der Planung berücksichtigen.

Im konkreten Fall wurde über den Notdienstkreis 571193 gestritten, zu dem die Apotheken in Rothenburg ob der Tauber gehören. Weil die Löwen-Apotheke Mitte Januar geschlossen wurde, musste die Kammer die Dienstverteilung neu regeln. Die Apotheker sahen die Chance, den Notdienstkreis auf komplett neue Füße zu stellen. Doch die Kammer lehnte das ab, wollte stattdessen zwei Apotheken in Wörnitz durch Verzahnung der Notdienstbezirke einbinden.

Maria Haack, Inhaberin der Landwehr-Apotheke, klagte. Aus Sicht der Apothekerin und ihrer Mitstreiter sollten zusätzlich zu den vier Apotheken in Rothenburg die beiden Apotheken in Wörnitz komplett in den Notdienstkreis einbezogen werden. Der Ort liegt zwar 18 Kilometer von Rothenburg entfernt, lässt sich aber über die A7 innerhalb von 20 Minuten erreichen.

Derzeit erbrächten sie rund 90 Dienste pro Jahr – doppelt soviel wie die Apotheken in benachbarten Notdienstbezirken, argumentierten die Apotheker vor Gericht. Durch die Verzahnung werde die Anzahl zwar auf 72 Notdienste reduziert; die komplette Einbeziehung führe aber zu 61 Diensten und damit zu einer deutlichen Entlastung. Berücksichtige man zwei weitere Apotheken in Schillingsfürst, könnte die Zahl der Dienste sogar auf 36 reduziert werden.

Da zu dem anderen Notdienstkreis insgesamt 21 Betriebsstätten gehörten, sei eine unzumutbare Belastung der verbleibenden Apotheken infolge der Umstellung nicht zu erwarten. Derzeit müssten die Apotheken im Notdienstkreis 571165 nur alle 13 Tage Bereitschaft leisten; die Apotheken in Rothenburg seien alle vier Tage dran.

Den Pharmazeuten geht es nach eigenem Bekunden nicht nur um die eigene Entlastung, sondern auch um die bestmögliche Lösung für die Patienten. Denn über die Autobahn seien selbst etwas entfernter gelegene Apotheken wesentlich schneller zu erreichen als über die Landstraße. Da die A7 erst 1985 eröffnet worden sei, hätten sich die Fahrzeiten seit Erlass des Landratsamts 1977 deutlich verkürzt. Schon heute verwiesen die Apotheken in Wörnitz in ihren Aushängen auf den Notdienst in Rothenburg, weil die Fahrzeiten im ihrem eigenen Bezirk deutlich größer seien. Und überhaupt gebe es im Notdienstkreis 571165 auch Apotheken, die bis zu 25 Kilometer entfernt voneinander lägen.

Doch die Kammer lehnte den Vorschlag mit Verweis auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 1989 ab, mit dem eine Entfernung von circa 13 Kilometern vorgegeben worden sei. In Übereinstimmung mit dem Gesundheitsministerium werde in den knapp 180 Notdienstkreisen in Bayern eine Entfernung von 15 Kilometern zugelassen; auch durch die Verzahnung komme man den Apothekern in Rothenburg entgegen.

Die Fahrzeit als zusätzliches Kriterium zu berücksichtigen, ist für die Kammer keine Option, da diese ein „subjektives Kriterium“ sei und von unterschiedlichen Faktoren wie Fahrzeug, Verkehrssituation und Witterung abhängig sei. Unterschiedliche Notdienste seien nicht zu vergleichen.

Das Verwaltungsgericht Ansbach gab der Kammer Recht. Bei der Einteilung des Notdienstes sei zwischen den Interessen der Verbraucher und der Apotheker abzuwägen. Es stehe aber im Ermessen der Kammer, welche Kriterien sie dabei zugrunde lege. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass in Einzelfällen eine Strecke von mehr als 15 Kilometern in Kauf genommen werde. Durch die Verzahnung werde der Wunsch der Apotheker, seltener Notdienst leisten zu müssen, in ausreichender Weise berücksichtigt. Die Kammer habe dies auch ausreichend begründet.

„Eine Einbeziehung statt der Verzahnung hätte zwar zu einem für die Klägerin noch günstigeren Turnus geführt“, heißt es im Urteil. „Für die Bevölkerung hätte dies jedoch bedeutet, deutlich häufiger als im Rahmen der streitgegenständlichen ‚Verzahnungslösung‘ weiter als 15 Kilometer fahren zu müssen.“ Auch habe die Kammer nachvollziehbar dargelegt, dass die Herausnahme der Apotheken zu unzumutbaren Folgen für die betroffenen Notdienstkreise geführt hätte.

Dass die Apotheken in Rothenburg deutlich häufiger Notdienst leisten müssen als die Apotheken im benachbarten Notdienstkreis, spielt laut Gericht keine Rolle. Jedenfalls erwachse daraus keine Pflicht für die Kammer, weitere Apotheken aus den Nachbarnotdienstkreisen einzubeziehen. „Denn dies würde eine Ermessensreduzierung auf Null voraussetzen.“

Die Apotheker hatten noch angemerkt, dass der häufige Notdienst im Vergleich zu Apotheken im benachbarten Kreis bei der Personalsuche ein entscheidender Nachteil sei. Doch dieses Argument wollten die Richter nicht gelten lassen: Das Problem des Apothekensterbens im ländlichen Raum könne die Kammer nicht im Rahmen ihrer Notdienstanordnung lösen.

„Die Nachwuchssorgen der Apotheker stellen in diesem Zusammenhang keinen berücksichtigungsfähigen Belang dar. Dass auch aufgrund der Arbeitsbedingungen immer weniger Nachwuchs für die Apotheken vor allem im ländlichen Raum gewonnen werden kann, spielt demnach aber auch im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung keine Rolle.“

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