Ein Apotheker muss seinem ehemaligen Botenfahrer noch knapp 4000 Euro plus Zinsen nachzahlen – für nicht genommenen Urlaub. Laut dem Landesarbeitsgericht Köln hätte der Inhaber seinen Angestellten aktiv auffordern müssen, Urlaub zu nehmen. Die Entscheidung gilt rückwirkend für mehr als drei Jahre, ist aber noch nicht rechtskräftig.
Der Fahrer war zwischen 2012 und März 2017 in der Apotheke beschäftigt und erhielt für 30 Wochenstunden einen Bruttomonatslohn von 1300 Euro. Im Arbeitsvertrag wurde zum Urlaub vereinbart, dass der Mitarbeiter S. statt Jahresurlaub auf eigenen Wunsch eine „wöchentliche Arbeitszeitverkürzung“ von 2,5 Stunden erhalten solle. In der Praxis wurde das so gelöst, dass der Fahrer samstags frei hatte und unter der Woche 27,5 Stunden arbeiten sollte.
Im September 2016 kündigte der Apotheker seinem Angestellten zu Ende März 2017 und stellte ihn ab Mitte Dezember frei. Doch dann erhielt der Apotheker im Mai 2017 Post von seinem ehemaligen Botenfahrer, der die Auszahlung seines nicht genommenen Urlaubs forderte. Als der Inhaber dies ablehnte, zog der Ex-Mitarbeiter vor Gericht und verlangte Schadensersatz für jeweils 22 Urlaubstage für die Jahre 2014 bis 2016 und für das erste Quartal 2017, insgesamt 4556 Euro.
Die Regelung im Arbeitsvertrag verstoße gegen das Bundesurlaubsgesetz, so der Vorwurf des Klägers. Sie sei auch nicht auf seinen Wunsch erfolgt, sondern eine Vorgabe des Apothekers gewesen, trug der Fahrer vor. Mit diesem „Umgehungstatbestand“ habe er ihm den ihm zustehenden Urlaub verweigert. Überhaupt habe seine Arbeit nicht in der Ableistung von Stunden bestanden, sondern im Ausfahren der Medikamente je nach Bedarf. Die Zustellung habe mal länger als sechs Stunden pro Tag gedauert, mal weniger, im Durchschnitt aber mindestens 30 Stunden pro Woche.
Der Apotheker beteuerte, dass der Fahrer sich die Regelung im Arbeitsvertrag ausdrücklich gewünscht und so auch schon mit dem früheren Inhaber vereinbart hatte. Ein Schadensersatz komme schon nicht in Betracht, weil der Fahrer nie Urlaub beantragt habe. Hilfsweise forderte er die Aufrechnung mit dem zu viel gezahlten Lohn, da der Angestellte weniger als im Arbeitsvertrag vereinbart gearbeitet habe.
Vor dem Arbeitsgericht Köln bekam der Apotheker zunächst recht. Nur für das Jahr 2017 sollte er Urlaub auszahlen, da die Freistellung nur „bedingt“ und nicht unwiderruflich erfolgt sei. Für die drei Jahre zuvor habe der Ex-Mitarbeiter aber keinen Anspruch auf Auszahlung des Urlaubs. Die Entscheidung wurde im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Köln im April nun kassiert. Es sprach dem Fahrer Abgeltung von je 20 Tagen für die drei Jahre zu. Der Anspruch darauf sei weder verfallen noch durch die andere Regelung im Arbeitsvertrag erfüllt worden.
Zur Begründung führt das Gericht aus, dass der Verfall von Urlaub in der Regel nur eintreten könne, „wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt.“ Diese „Initiativlast des Arbeitgebers“ sei nicht auf das jeweilige Kalenderjahr beschränkt. Diesen Pflichten sei der Apotheker hier nicht nachgekommen.
Im Arbeitsvertrag war – neben der Arbeitszeitverkürzung – auch geregelt, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr nehmen muss, ausnahmsweise bis 31. März des Folgejahres und dass er ansonsten verfällt. Doch zwischenzeitlich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter auffordern müssen, ihren Urlaub zu nehmen. Dieser Pflicht ist der Apotheker aus Sicht des Gerichts nicht nachgekommen. „Im Gegenteil: Durch die konkrete Vertragsgestaltung ist der Eindruck entstanden, dass über eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung hinaus kein Urlaubsanspruch besteht.“
Der Ex-Fahrer erhielt aber nicht in vollem Umfang recht: Aus der vorgesehenen Arbeitszeitverkürzung lasse sich kein Urlaubsanspruch von 22 Tagen ableiten. Aufgrund der 5-Tage-Woche stünden dem Mitarbeiter 20 Tage pro Jahr zu. Entsprechend bekam er 3978 Euro plus Zinsen zugesprochen. Die Gerichtskosten wurden aufgeteilt, allerdings deutlich zu Lasten des Apothekers, der 80 Prozent der Kosten der ersten Instanz und 93 Prozent im Berufungsverfahren tragen muss.
Der Inhaber will die Entscheidung aber offenbar nicht auf sich sitzen lassen. Das Verfahren ist bereits beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt anhängig.
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