Apotheker kontert Spahn: „Es gibt zu viele Apotheken in Köpenick“ APOTHEKE ADHOC, 06.02.2019 18:32 Uhr
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich im Interview mit Apotheker Philipp Kircher zur flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch die Apotheken vor Ort bekannt. So weit, so gut. Die Sicherung der Flächendeckung sei „nicht nur ein Stadt-Land-Thema“, sondern auch in städtischen Gebieten ein immer größeres Problem. Sein Beispiel dafür: „In Köpenick war ich mal vor einiger Zeit, da gibt es faktisch keine Apotheke mehr.“ Fragt man in Köpenick nach, klingt das ein bisschen anders.
„Köpenick ist gut versorgt mit Apotheken“, sagt Dr. Götz Krauter. Seine Apotheke trägt den Namen des berühmtesten Sohnes der Gegend: Wilhelm Voigt, jedem Schulkind bekannt als der Hauptmann von Köpenick. „Der Wettbewerb hier ist immer hoch.“ Das kann man beobachten, wenn man die Bahnhofstraße in Richtung der S-Bahn-Station Köpenick fährt: Auf einer Strecke von gut 600 Metern stehen dort sechs Apotheken.
Fährt man von der Bahnhofstraße weiter in Richtung des historischen Ortskerns von Köpenick – der Stadtteil wurde erst 1920 nach Berlin eingemeindet – kommt man noch an drei weiteren Apotheken vorbei, bevor man vor Krauters Offizin steht. Es ist seine Hauptapotheke, Filialen hat er in Schöneberg und Wilmersdorf. Krauter kennt sich also mit der Versorgungs- und Wettbewerbssituation in den verschiedenen Bezirken der Hauptstadt aus. „In Schöneberg sind im Umkreis von 400 Metern um meine Apotheke acht weitere“, sagt er. Natürlich sei der Konkurrenzkampf in der Innenstadt härter, aber auch in Köpenick machen sich die Apotheken gegenseitig ordentlich Druck.
Wie kommt der Gesundheitsminister dann dazu, zu behaupten, in Krauters Viertel gebe es „faktisch keine Apotheke mehr“? In Spahns Kopf schauen kann natürlich auch Krauter nicht, aber er hat Erklärungsansätze – und eine klare Meinung vom Gesundheitsminister. „Herr Spahn will Karriere machen, so ein Thema ist ihm da nicht so wichtig. Das ist reiner Populismus, um ihn voranzubringen“, sagt er. Dass der Minister treu zur flächendeckenden Vor-Ort-Versorgung steht, nimmt er ihm nicht ab. „Was mich persönlich an Herrn Spahn wundert: Er ist ein konservativer Politiker, aber der Koalitionsvertrag interessiert ihn offensichtlich nicht. Da frage ich mich, ob so jemand in politischen Führungspositionen eine Rolle spielen sollte.“
Es ist der berühmte Elefant, der im Raum steht: Das Wort Rx-Versandverbot lässt Krauter kein einziges mal fallen, aber es ist vollkommen klar, worum es geht. Die CDU habe offenbar Angst gehabt, dass ihr die SPD vom Boot springt, wenn sie auf ihrer Forderung beharrt, vermutet er. Spahn habe sowieso nie vorgehabt, die Vereinbarung umzusetzen. Aber wieso? „Er ist persönlich für den Versandhandel, weil große Konzerne halt besonders attraktiv sind.“ Krauter lacht sardonisch. „Es ist ja schon lange im Trend, sich von Google, Amazon und Facebook um die Steuern betrügen zu lassen. Und wenn man mal kein Politiker mehr ist, dann kann man dort später mal einen Posten im Aufsichtsrat übernehmen. Das geht bei einer Apotheke natürlich nicht.“
Das Wachstum des Versands sieht er jedoch nur als Vorboten einer viel größeren Entwicklung. Denn während der Konkurrenzdruck in den städtischen Gebieten unverändert hoch ist, bekommt die Vor-Ort-Versorgung auf dem Land immer größere Löcher. Der Riss durch den Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge werde der flächendeckenden Vor-Ort-Versorgung auf dem Land den Todesstoß geben.
Auf 12.000 bis 13.000 Apotheken bundesweit werde die Zahl noch sinken. „Und dann kommen die Ketten und sagen: ‚Wir können die flächendeckende Vor-Ort-Versorgung sichern‘. Dann teilen sich eine Handvoll Konzerne den Markt in Deutschland auf. Ich bin fest überzeugt: Spätestens 2025 fällt die Entscheidung, Ketten zuzulassen“, prophezeit Krauter. „Billiger oder besser wird dadurch nichts. Nur anders.“