Apotheker Birger Bär bleibt umtriebig und umstritten: Vom Klimaschützer hat er sich zu einem der prominentesten Kritiker der Corona-Maßnahmen in seiner Heimatregion entwickelt – und dabei keine Berührungsängste gegenüber der Querdenker-Bewegung gezeigt. Seine Weigerung, sich an die Maßnahmen zu halten, brachte ihn nun vor Gericht. Verurteilt wurde er jedoch nicht.
Bär ist nicht nur Inhaber der Hirsch-Apotheke in Lörrach, sondern mittlerweile auch als Aktivist in seiner Stadt bekannt wie ein bunter Hund. Mit Beginn der Corona-Pandemie hat er ein neues Betätigungsfeld gefunden: Er kämpft gegen die, aus seiner Sicht, übertriebenen und ungerechten Infektionsschutzmaßnahmen. Vergangenes Frühjahr stellte er sich mit dem Megaphon auf einen Balkon am Lörracher Marktplatz und hielt eine Rede, seine Apotheke nutzte er als Schaufenster für seine Botschaften, im November trat er gar als Redner auf einer Querdenker-Demo auf. „Ich bin ja eher in Richtung der Querdenkenden unterwegs“, sagt er vorsichtig, betont dabei aber, dass er keineswegs das Virus verharmlosen oder die Pandemie leugnen wolle.
Auch gegen die Corona-Impfungen stelle er sich nicht prinzipiell. „Jeder, der sich impfen lassen möchte, soll sich gern impfen lassen, ich will nur keinen Zwang“, sagt er. Er selbst hege Zweifel an der Effektivität und Sicherheit der zugelassenen Impfstoffe. Doch das eigentliche Stichwort ist der zwang, ihm gehe es nämlich vor allem um Freiheit und Partizipation. „Ich bin ein sehr freiheitsliebender Mensch und Apotheker“, sagt er. „Deshalb sind viele dieser Maßnahmen für mich unerträglich gewesen. Ich hoffe, wenn man die heutige Zeit irgendwann einmal historisch einordnet, dass man dann erkennt, dass die Mächtigen da vollkommen übers Ziel hinausgeschossen sind.“
Bereits vergangenes Frühjahr hatte er gegen Grenzschließungen und Reisebeschränkungen mobilgemacht, mittlerweile wendet er sich vor allem gegen die Maskenpflicht, speziell die unter freiem Himmel. „Gesundheitsschutz tut Not, das würde ich nie leugnen. Aber die Art, die in meinen Augen so sinnlos ist, kann ich nicht akzeptieren. Eine Maskenpflicht im Freien halte ich für absolut grotesk. Das bringt nichts und es gibt keine Studie, die das belegen würde.“
Und so war es auch die Maskenpflicht, die Bär kürzlich vor das Lörracher Amtsgericht brachten: Verhandelt wurden zwei Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz aus dem vergangenen Winter: Mitte November hatte ein Polizist Bär auf dem Lörracher Marktplatz aufgegriffen, weil er keine Maske trug – zu der Zeit war das auch auf dem Marktplatz unter freiem Himmel verpflichtend. Doch Bär weigerte sich und verwies auf ein ärztliches Attest. Das akzeptierte der Polizist nicht. „Er sagte, das gilt nicht, weil keine Diagnose draufsteht. Es brauche ein qualifiziertes Attest – aber was bitte ist mit der ärztlichen Schweigepflicht?“ Außerdem könne er auf dem Marktplatz auch ohne Weiteres größere Abstände einhalten, argumentierte er. Doch es half nichts, er erhielt einen Bußgeldbescheid über 70 Euro.
Knapp zwei Wochen später wurde Bär erneut aufgegriffen, diesmal auf dem Weg zu einer Protestaktion, Anwohner waren mit Kerzen durch die Stadt gezogen, um gegen die Maßnahmen zu protestieren. Bär hatte, wie auf dem Lörracher Markt, einen Platzverweis erhalten – und wurde wenig später woanders am Rande der Veranstaltung erneut von einem Polizisten gesehen. „Ich habe gesagt, ich wurde doch nur von einem Platz verwiesen. Der Polizist meinte dann, das gelte für die gesamte Veranstaltung.“ Erneut erhielt er einen Bußgeldbescheid, diesmal über 100 Euro. Doch der Apotheker weigerte sich standhaft, zu zahlen, „weil ich das für eine Ungerechtigkeit und absolute Sauerei halte“, wie er sagt. Der Streit zog sich und landete schließlich vergangene Woche vor Gericht.
Und dort lief es überraschend gut für Bär: Nach einem anfänglichen Streit um seine Weigerung, im Gerichtssaal eine Maske zu tragen – letztlich lenkte er ein – und einer langwierigen Befragung, verfingen Bärs Argumente vor dem Richter: Das Verfahren über den ersten Bußgeldbescheid wurde eingestellt. Der Marktplatz sei zu dem Zeitpunkt größtenteils leer gewesen, Bär konnte glaubhaft versichern, dass er die ganze Zeit genug Abstand zu anderen Passanten hielt. Wegen des zweiten Bescheides noch länger vor Gericht zu debattieren, war dann wohl auch dem Richter zu müßig. „Man sollte die Sache nicht zu hoch hängen“, zitiert die Badische Zeitung den Richter. „Aber eigentlich tun wir das, denn es geht um 100 Euro und wir sitzen hier seit zwei Stunden.“ Auch das zweite Verfahren wurde eingestellt.
Gestraft ist Bär in gewisser Weise trotzdem, denn die Anwaltskosten muss er selbst tragen – und die sind weit höher als die Bußgelder. „Das Verfahren ist 1:1 ausgegangen, ein klassisches Unentschieden“, findet er. Und trotzdem: Er sieht es auch als Bestätigung seines Kurses. Und an dem will er festhalten, wenn auch künftig mit anderen Mitteln. „Ich will mich nicht mehr so als Aktivist über diese Querdenken-Schiene betätigen, sondern mich künftig eher politisch mit einer seriösen Meinung im Hintergrund engagieren“, erklärt er.
Dazu ist er Parteimitglied bei „Die Basis“ geworden, der Partei, die teils aus der Querdenker-Bewegung hervorgegangen ist. Dass die Gruppe auch halbseidene Figuren anzieht, wolle er gar nicht abstreiten. „Wenn man sich danach richtet, darf man aber auch in keine der etablierten Parteien eintreten, da ist das auch nicht anders“, findet er – beteuert aber, bei rechten Umtrieben kein Auge zuzudrücken. „Wir sind sehr bedacht darauf, dass es da keine braunen Flecken gibt, schon deshalb, weil wir wissen, wie schnell eine Partie gekapert werden kann, siehe die Piraten oder AfD. Die Basis ist eine bunte Partei, wir wollen Vielfalt und Meinungsvielfalt. Wir sind die eigentliche Grundgesetzpartei.“
Er betont dabei auch, dass es ihm im Kern gar nicht um die Pandemiepolitik gehe, sondern um die großen Themen, für die er eigentlich einstehe: „Es geht nicht darum, Anti-Corona-Partei zu sein, sondern vor allem, für Machtbegrenzung und Transparenz zu kämpfen“, sagt er. „Wir setzen uns vor allem für partizipative Elemente ein, die Schweiz ist uns ein großes Vorbild.“ Höhere politische Weihen strebe er nicht an, er sei lediglich Beisitzer im Kreisverband Lörrach. „Ich möchte eher im Hintergrund aktiv sein und vor allem aktiv Gespräche mit den Menschen führen. Denn die kann man nur für politische Anliegen gewinnen, wenn man mit ihnen spricht.“ Um Birger Bär dürfte es also auch in Zukunft nicht ruhiger werden.
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