„Wegen Vaginaltabletten zur Beichte“ APOTHEKE ADHOC, 20.06.2017 15:24 Uhr
Wieder einmal kümmert sich die Bild-Zeitung um die Apotheker. Letztes Jahr sammelte sie Sprüche in der Apotheke. Jetzt geht es um Apotheken als niedrigschwelle Anlaufstelle für Patienten: „Gut, dass es Apotheken gibt, in denen Pillen-Profis und Salben-Spezialisten ihren kränkelnden Kunden mit Rat und Tat zur Seite stehen“, titelt Bild.de.
„Wissen Apotheker eigentlich das gleiche wie Mediziner? Was muss man für den Job draufhaben, was verdient man? Und soll ich meine Arznei online bestellen oder hat meine lokale Apotheke doch die Nase vorn?“ Das sind die Themen der fünfteiligen Serie, in der mit Klischees aufgeräumt werden soll.
„Dem Ohr eines Apothekers ist nichts Menschliches fremd – selbst skurrilste Patientenfragen wird er sachlich beantworten“, heißt es im Beitrag. Dabei solle man als Kunde alle Fragen stellen, die einen beschäftigen – falsche Scham könne böse enden.
„Ich habe Vaginaltabletten verschrieben bekommen, muss ich das dem Priester beichten?“ Mit dieser Frage kam laut Bild eine ältere Dame zu Apotheker Harald Tschernek, Inhaber der der Marien-Apotheke in Pöttmes in Bayern. Tschernek: „Sie war ganz verunsichert, aber im katholischen Bayern war diese Frage gar nicht so weit hergeholt. Ich musste ernst bleiben, sagte ihr, dass die Tablette der Gesunderhaltung diene – nicht der sexuellen Stimulation. Es sei ganz sicher kein Beichtgrund.“ Skurrile Anfragen wie diese seien unfreiwillig komisch und gäben gute Anekdoten ab, dennoch hätten sie oft einen ernsten Hintergrund, so Bild.
Tschernek erzählt in Bild weiter über seinen Beratungsalltag: „Ein Patient kam zu mir, denn er hatte immer so ein Brennen, wenn er sich ein Zäpfchen einführte. Es stellte sich heraus: Er hatte es gar nicht erst aus der Verpackung geholt, sondern es sich mit der Plastikummantelung eingeführt. Eigentlich wirkte der Mann auf mich bis dato ganz patent. Das hat mir noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig unsere Beratung selbst bei eigentlich selbstverständlichen Handhabungen ist.“
In Erinnerung geblieben ist Tschernek auch der Fall eines Einsiedlers, der an Diabetes litt. „Der Mann wohnte etwas abseits, seine Blutzuckerwerte waren schwer einstellbar. Im Krankenhaus ließen sich diese immer wieder gut regulieren, aber sobald er zu Hause war, ging alles schief. Leider so schief, dass ihm ein Bein abgenommen werden musste! Bei einem Hausbesuch wurde schließlich durch Zufall festgestellt, dass er gar nicht lesen konnte – der Mann war Analphabet. Er konnte gar nicht verstehen, was ihm zur Einnahme der Medikamente aufgeschrieben worden war. Auch nicht die Packungsbeilagen. Er schämte sich nachzufragen und sich als Analphabet zu erkennen zu geben. Daher füllte er alle seine Tabletten in eine Salatschüssel und nahm die Tabletten der Farbe nach“, erklärt Tschernek.
Tschernek: „Scham ist immer wieder ein Thema. Beispielsweise haben einige Männer Hemmungen, Medikamente gegen Potenzstörungen bei uns zu kaufen. Aber wir sind Heilberufler, wir unterstützen die Menschen bei ihrer Behandlung. Nichts Menschliches ist uns fremd. Für Scham besteht bei uns kein Anlass.“ Über einige Kunden schmunzele man jedoch weniger. Ihre Geschichte und ihre Probleme gingen einem auch nicht ans Herz. Sie nervten im besten Fall einfach nur – im schlimmsten Fall muss die Polizei kommen.
Der Apotheker erzählt: „Über manche Menschen kann man sich schon sehr wundern: Die bleiben wirklich lange in der Apotheke, fragen nach Gratiszeitschriften, notieren sich alle Preise, damit sie diese dann mit den anderen Apotheken vor Ort und mit dem Internet vergleichen können – auch wenn dabei nur wenige Cent gespart werden. Wenn sich diese Kunden dann bei uns massiv aufregen, dass die Krankenkasse immer weniger den Kauf ihrer Medikamente subventioniert, rollt man schon innerlich mit den Augen. Einmal wurde aber auch jemand, nachdem er erfuhr, dass es einen Rabatt nicht mehr gab, so ausfällig, dass wir beinahe die Polizei rufen mussten. Ich hatte Angst um meine Mitarbeiter!“
In den weiteren Folgen geht es im Klischees, um „In“ und Out“ auf dem Arzneimarkt, um Arzneiversand gegen Vor-Ort-Apotheken und um Ausbildung und Einkommen der Apotheker. Vor Steuern und Sozialversicherungsabgaben dürfte der „Durchschnitt“ der Apothekeninhaber bei 100.000 Euro liegen, schätzt Apotheker Markus Vivell von der Jahn-Apotheke in Freiburg als Kronzeuge für Bild. Es könne aber auch bis zu 500.000 Euro gehen. Es gebe inzwischen aber Apothekeninhaber, die weniger verdienten als ein angestellter Apotheker. Viele könnten nicht aufhören, weil sie aus dem Mietvertrag nicht heraus kämen und beuteten sich selber aus. Die Folge: „Sie gehen pleite.“