Sicher verpackt

Apotheker-Ideen für die Impfstoff-Vials

, Uhr
Berlin -

Sand, Eierkartons, Plastiktüten: Zahlreiche Apotheken mussten kurzerhand kreativ werden, um die am Dienstag vom Großhandel gelieferten Impfstoff-Fläschchen sicher zu den Arztpraxen zu befördern. Denn vielerorts nahm der Lieferant die Kühlbox unangekündigt wieder mit. Viele Apothekenangestellte wurden mittlerweile selbst kreativ. Auch Firmen bieten verschiedene Transportboxen an.

In der Berliner Nordring Apotheke musste Filialleiterin Silke Peters schnell handeln, als der Lieferant die Schaumstoffhalterungen der Vials wieder mitnahm. Zunächst baute ihr Sohn eine Konstruktion aus Lego. „So viele Vials im Kühlschrank lagern, da muss nur eines umfallen und es entsteht ein Domino-Effekt. Am Ende muss ich die Durchstechflaschen dann alle wegschmeißen.“ Doch bei der Lego-Lösung sollte es nicht bleiben: Nach dem Motto „Not macht erfinderisch“ kontaktierte die Apothekerin ein Büro für Architektur und Modellbau. „Normalerweise stellt die Firma Architekturmuster her – nun kam mit meinem Auftrag eine neue Aufgabe hinzu.“ Peters übermittelte die Maße der Vials und freute sich auf das erste Muster der Schaumstoffhalterung. „Am gleichen Tag erhielt ich noch den Prototypen. Da noch nicht alles perfekt passte, gab ich nochmal Rückmeldung mit Verbesserungsvorschlägen und erhielt gestern Abend den verbesserten Entwurf.“

Die Schaumstoffkonstruktion stammt von der Berliner Firma Werk 5. Normalerweise betreut das Unternehmen andere Projekte. Doch auch die Umsetzung einer Lagermöglichkeit für kleinstvolumige Durchstechflaschen wurde direkt in Angriff genommen. „Der motivierte Handwerksmeister, Levin Rehfels, hat meinen Wunsch der Schutz-, Lager- und Transportpolstergitter am selben Tag umgesetzt“, freut sich Peters. „Die Mitarbeiter dort haben auch gesagt, dass sie die Apotheken jetzt bei der dezentralen Impfung nicht im Stich lassen werden. Sollten andere Berliner Apotheken noch Bedarf haben, soll einfach angerufen werden“, sagt Peters.

Tatsächlich haben sich schon Apotheken bei Werk 5 gemeldet. „Mit solchen Anfragen haben wir nicht gerechnet“, sagt eine Sprecherin. Apotheken gehörten zu einem völlig neuen Kundenkreis. Die Firma könne mit dem Laser Schaumstoff individuell zuschneiden. Für die Biontech-Vials werden momentan zwei Größen mit jeweils zwölf oder acht Plätzen (11 beziehungsweise 9 Euro netto) angeboten. Zwei Schaumstoffmatten werden verklebt, damit die Dicke 5 cm erreicht und der Impfstoff ausreichend geschützt ist. Die Herstellung sei schnell möglich. Die Halterungen sind schockabsorbierend, isolierend und der Impfstoff damit optimal für den Transport geschützt.

Mit diesen neuen und vor allem sicheren Lagerungsmöglichkeiten sieht die Apothekerin der kommenden Lieferung entspannt entgegen. „Nun sind wir gut vorbereitet. Wir haben die Polster nun in allen drei Filialapotheken.“ Nachdem die Ware in der Apotheke angekommen ist, können die Mitarbeiter:innen den Impfstoff in die Öffnungen setzen und in den Kühlschrank überführen. Die Schaumstoffkonstruktionen wurden im Überschuss bestellt: „Die Ärzte sollen auch von der Möglichkeit profitieren. Wir überlassen ihnen natürlich die Halterungen. Bei der nächsten Lieferung können wir den Schaumstoff austauschen.“ Die meisten Praxen hätten bis Mittwoch bereits alle Dosen verimpft.

Für kleinvolumige Durchstechflaschen stehen auch fertige Lagerungsboxen zu Verfügung. Unternehmen wie GLW Storing Systems bieten Lösungen zur Lagerung von Vials in verschiedenen Größen und Höhen an. Die kleinsten Boxen bieten Platz für Vials à 4 bis 6 ml. Auch der Biontech-Impfstoff kann sicher in den sogenannten Kryoboxen gelagert werden. Der Durchmesser der abgeteilten Kammern beträgt bei dem Modell B47 16,5 mm, passgenau für ein Fläschchen. Insgesamt haben 49 Vials Platz. Eine Box kostet unter 5 Euro. Besonders praktisch: Die Kryoboxen sind in verschiedenen Farben erhältlich. Somit können die Vakzine eindeutig gekennzeichnet einsortiert werden. Comirnaty könnte beispielsweise die Farbe Grün erhalten. Die Durchstechflaschen von AstraZeneca und Moderna sind größer. Auch hierfür bietet das Unternehmen eine passende Lageroption an. Die Serie B68 ist passend für die etwas größeren Impfstoffbehältnisse.

Die B47-Box bietet das Unternehmen schon seit 15 Jahren an. „Die Kryoboxen sind aus Polypropylen. Das ist ein relativ robustes Material. Es kann problemlos mit Isopropanol desinfiziert werden. Auch Autoklavieren ist möglich – hier sollte die Höchsttemperatur von 121 °C jedoch nicht überstiegen werden“, erklärt Firmensprecher. „Wir verschicken unsere Boxen nicht nur an deutsche Apotheken und Impfzentren. Die Schweizer und Amerikaner waren ganz vorne mit dabei. Die haben schon bestellt, als es hier noch nicht so wirklich eine Liste an benötigten Materialien für die mobilen Einsätze gab.“ Aktuell verzeichnet das Unternehmen einen Anstieg an kleinen Bestellungen. Seit dem Start der dezentralen Impfungen bestellen vermehrt Arztpraxen und Apotheken.

Andere Apotheken wollen zunächst weiter auf Eigenkonstruktionen setzen. In der Stadt-Apotheke am Rathaus in Schweinfurt freut sich Inhaberin Elisabeth Faustmann über ihr pfiffiges Team. Auch dort war man zunächst überrascht, dass der Großhandel die Transportboxen des Biontech-Impfstoffes gleich wieder zurück haben will. „Das hat uns keiner vorher gesagt“, so Faustmann. „Zum Glück habe ich schlaue Mitarbeiter:innen. Wir haben sofort improvisiert.“ Aus dem Lager wurde Styropor geholt und die Löcher für die Fläschchen eingedrückt. „Dadurch konnten wir den Impfstoff ohne Erschütterung an die Praxen liefern.“

Vorerst will die Apothekerin weiter auf die Eigenkonstruktion setzen. Sie prüfe derzeit Angebote von Verbänden und Firmen über spezielle Transportmöglichkeiten. Noch sei die Menge aber überschaubar. Für kommende Woche seien 29 Vials angekündigt worden. Zudem sei die Eigenlösung kostengünstig.

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken
OTC-Rezept: Kasse zahlt Botendienst nicht

APOTHEKE ADHOC Debatte