Wird ein Rezept in der Apotheke eingelöst, wird dieses nicht nur auf Formalitäten, sondern auch auf Plausibilität geprüft. Dabei fallen mitunter Medikationsfehler auf, beispielsweise aufgrund einer falsch vermerkten Dosierung. Somit ist die Apotheke die letzte fachliche Kontrollinstanz vor dem Patienten. Werden Verschreibungsfehler in der Apotheke nicht erkannt, haften Inhaber:innen mit.
Zwischen Arzt und Apotheke besteht eine Haftungsgemeinschaft. Dem liegt eine Grundsatzentscheidung des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahr 2013 zugrunde: Das OLG hatte nicht nur den Arzt, sondern auch den Apotheker zur Haftung für die fehlerhafte Medikation herangezogen. Die Grundsätze der Beweislastumkehr werden auf die Haftung von Apothekern übertragen.
Der Fall: Einem Säugling mit Down-Syndrom wurde vor einer Herzoperation Lanitop (Metildigoxin) verschrieben. In der Praxis des Kinderkardiologen kam es zu einem Übertragungsfehler – anstatt Tropfen wurde der Zusatz „50 Tbl.“ auf das Rezept gedruckt. Im Vergleich zu Tropfen ist in den Tabletten die achtfache Dosierung des Digitaliswirkstoffs enthalten. Von der Apotheke wurden die Tabletten geliefert und der Hinweis gegeben, die Tabletten aufzulösen, um sie dem Säugling verabreichen zu können.
Der Fehler fiel nicht auf. Mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen. Das Baby erlitt einige Tage später einen Herzstillstand und konnte reanimiert werden. Die Folgen: eine Hirnschädigung, ein Darmschaden und erhebliche Entwicklungsstörungen. Die Eltern verklagten den Kinderkardiologen und den Apotheker auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.
„Seit der Grundsatzentscheidung des OLG Köln besteht die Tendenz in der Rechtsprechung, Beweiserleichterungen zugunsten der Patientenseite aus der arzthaftungs-rechtlichen Dogmatik auf die Apothekerhaftung zu übertragen“, so Rechtsanwältin Dr. Bettina Mecking beim Apothekenrechttag.
Der Fehler hätte der Apotheke nicht unterlaufen dürfen. Vor allem bei Arzneimitteln mit geringer pharmazeutischer Breite sollte besondere Sorgfalt herrschen. Diesen Fehler auf dem Rezept nicht zu erkennen, stelle einen groben Fehler dar. Die Sach- und Interessenlage sei gleich gelagert wie bei den Arzthaftungsfällen.
Bei einem groben Schaden wird angenommen, dass der Arzt der Verursacher war. In diesem Fall muss dieser das Gegenteil beweisen. Und das gilt auch für den Apotheker. Wenn dieser das Rezept nicht mit eigenem Sachverstand überprüft, wird er mitverantwortlich gemacht und haftet gemeinschaftlich mit dem Arzt für entstehende Schäden. Zudem tragen beide die Beweislast dafür, dass die Schädigung des Kindes nicht durch die Überdosierung entstanden ist.
Inhaber müssen die Haftungsrisiken durch eine Betriebshaftpflichtversicherung abdecken, die zwar nicht gesetzlich, aber berufsordnungsrechtlich vorgeschrieben ist. Der Versicherungsschutz umfasst auch die angestellten Apotheker alle übrigen Betriebsangehörigen.