Ein Jahr ist es her, dass ein Apotheker aus Baden-Württemberg nachts in seinem Wohnhaus überfallen wurde – wohl weil die Täter dachten, dass er im Notdienst sei. Einer der Männer konnte gefasst werden, die traumatischen Erlebnisse wurden jetzt gerichtlich aufgearbeitet. Wegen schweren Raubs muss der 23-Jährige für fünf Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen der Schwere der Tat sogar acht Jahre gefordert. Seine Komplizen sind noch auf freiem Fuß.
Zwei Männer waren im November 2017 gegen 2.30 Uhr in das Wohnhaus des Apothekers eingedrungen. Offenbar waren sie davon ausgegangen, niemanden anzutreffen, denn der Apotheker hatte in jener Nacht eigentlich Notdienst. An diesem Tag hatte er jedoch mit einer Kollegin getauscht.
Die beiden vermummten Täter gingen brutal gegen ihr Opfer vor. Eine halbe Stunde suchten sie nach Geld und Wertsachen, dann verschwanden sie. Den Apotheker ließen sie gefesselt zurück.
Dem jetzt verurteilten Täter kamen die Ermittler schließlich per DNA-Spur auf die Schliche. Das Handy des Opfers, das er im Garten weggeworfen hatte, überführte den Mann aus Berlin, der schon im Zusammenhang mit anderen Einbrüchen aufgefallen war. Die Auswertung von Handydaten ergab, dass er in jener Nacht offenbar eigens für die Tat ein Auto angemietet und von Berlin nach Baden-Württemberg und wieder zurückgefahren war.
Im Prozess weigerte er sich, als Kronzeuge auszusagen und die Identität seiner Komplizen zu verraten. Ein Mann war bei dem Überfall dabei, doch es könnte noch mehr Täter geben, die versuchten, den in der Apotheke vermuteten Pharmazeuten im Notdienst abzulenken. Im Stundenrhythmus seien an jenem Abend Kunden gekommen, und das bis spät in die Nacht hinein, erfuhr der Inhaber von seiner Kollegin. In der eher ländlichen Region ist normalerweise ab ein Uhr nachts nichts mehr los. Womöglich war das hohe Aufkommen in der Nacht kein Zufall.
Besonders auffällig ist aber ein Kunde, der sich gegen 2.30 Uhr – also zur selben Zeit, in der die Täter in das Wohnhaus eindrangen – ausführlich zu Erkältungspräparaten beraten ließ. Ein Indiz dafür: Dem Unbekannten fehlte ein Euro, den er am nächsten Tag nachzahlen wollte. Er tauchte nie wieder auf.
Der Apotheker ist mit der Arbeit der Polizei und auch mit dem Urteil zufrieden. Für sein Gerechtigkeitsempfinden sei die hohe Strafe gut, sagt er. Was ihm auch sehr helfe, seien die Erkenntnisse über das Umfeld der Täter. Monatelang hat er versucht, den Vorfall zu verarbeiten und eine Antwort auf die Frage zu finden, was Menschen zu einem solchen Verhalten bringt und warum ausgerechnet er überfallen wurde. „Das macht einen wahnsinnig“, sagt er.
Jetzt weiß er, dass er womöglich gar nicht mehr versuchen muss, den Fall für sich einzuordnen. „Das sind Menschen aus einem vollkommen anderen Umfeld“, sagt er. Was bleibt, ist die Angst. „Ich bin deutlich ängstlicher als früher. So ganz werde ich wohl nie mit den Geschehnissen abschließen können.“ Immerhin: Vor kurzem war er zum ersten Mal seit einem Jahr wieder alleine im Dunkeln joggen.
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