Betriebsprüfung

Apotheker fassungslos: Finanzamt will private SMS sehen

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Berlin -

Eigentlich hatte ein Apotheker aus Nordrhein-Westfalen mit seinem Berufsleben bereits abgeschlossen. Im Sommer hatte er seine Apotheke an einen Nachfolger verkauft, nun wollte er sich auf den Ruhestand vorbereiten. Doch jetzt, kurz vor Weihnachten, flatterte unangenehme Post des Finanzamtes in sein Haus. Für 330.000 Euro offene Positionen verlangt der Steuerprüfer für die letzten drei Jahre kleinteilige Erklärungen. Sonst droht dem Apotheker eine Nachschätzung – und diese könnte teuer werden, bis zu 100.000 Euro. Dann wäre ein guter Teil des Verkaufserlöses wieder futsch.

Da wiehert der Amtsschimmel: Unter anderem fordert das Finanzamt nämlich von dem Apotheker Auskunft darüber, welche seiner im Prüfzeitraum versendeten 448 SMS privat und nicht geschäftlicher Natur waren: „Wie soll ich das erklären“, entrüstet sich der Apotheker, der aus verständlichen Gründen anonym bleiben will, APOTHEKE ADHOC aber Einblick in die Reklamationen des Prüfers gewährt.

„Ordnungsgemäße Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfälle vermitteln“, belehrt das Finanzamt den Apotheker über seine Pflichten. Der Steuerpflichtige habe organisatorisch und technisch sicherzustellen, dass die elektronischen Buchungen und sonst erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen „vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet“ vorgenommen werden. Zur Prüfung setzte der Finanzbeamte die Software Idea ein, ein umfangreiches Analyse- und Auswertungstool.

Und dann geht es in dem siebenseitigen Schreiben des Finanzamts Schlag auf Schlag: Unter dem Stichwort Storno werden knapp 2800 erklärungsbedürftige Vorgänge gelistet, davon 2100 „ohne Bezug zum Ursprungsvorgang“. Hier gibt sich der Apotheker noch gelassen. Er habe sich alle Stornobelege von den Kunden quittieren lassen und in einer Kiste aufbewahrt. Den geltend gemachten Betrag von 45.000 Euro glaubt er so erklären zu können.

Größere Probleme dürften die Differenzen bei der Abrechnung von Privatrezepten bereiten, die sich hinter dem Stichwort „Testrezepte“ verbergen. Hier fordert das Finanzamt Aufklärung über insgesamt 105.000 Euro. Im Prüfzeitraum seien 1829 Bons mit dem Vorgang „Privat“ als Testrezepte gedruckt worden. Jetzt will der Finanzbeamte wissen, wo die Umsätze geblieben sind.

Die Software der Warenwirtschaft biete nämlich die Möglichkeit, über die Funktion Rezepte zu bedrucken, „ohne dass der Umsatz im Tagesabschluss erfasst wird“. Diese Vorgehensweise ermögliche – insbesondere in Verbindung mit hohen manuellen Bestandskorrekturen – eine Nichterfassung von Betriebseinnahmen bei gleichzeitig plausibler Warenbestandsentwicklung.

Bei Prüfungen in anderen Apotheken hätten die Inhaber dazu angegeben, dass es sich bei den Testrezepten um Vorgänge handele, „wo Rezepte zuvor falsch bedruckt wurden oder ein Rezept nachträglich vorgelegt wurde“. Die Software fordere bei der Testrezeptfunktion keine Verknüpfung zu dem Bon, der bereits zu einem Umsatz im Tagesabschluss geführt habe, sodass diese Argumente nicht prüfbar gewesen seien, schreibt das Finanzamt. „Somit ist für das Finanzamt nicht nachprüfbar, ob alle bedruckten Privatrezepte bereits zuvor eine erlöswirksame Buchung ausgelöst haben. Bitte erläutern Sie, welche betriebsspezifischen Abläufe dazu geführt haben, dass diese Rezepte über die Funktionalität ‚Testrezept‘ erfasst wurden.“ Dazu ist der Apotheker aber alleine nicht in der Lage, er muss jetzt mit seinem Softwarehaus alle Buchungen durchgehen.

Probleme gibt es auch beim Wareneinkauf. In der Software werden zunächst die Apothekeneinkaufspreise der Großhandelsrechnung bei der Warenlieferung eingegeben. Die Konditionen und Rabatte des Großhandels aber erst später in der Finanzbuchhaltung erfasst. Daraus ergeben sich erhebliche Differenzen in der Buchführung: insgesamt knapp 64.000 Euro. Die hofft der Apotheker ebenfalls mit den Abrechnungsbelegen seines Großhändlers aufklären zu können.

In der Datei „kssbr_zBon“ stieß der Prüfer ebenfalls auf Ungereimtheiten. Mit diesem Kürzel kann der Apotheker aber zunächst gar nichts anfangen. „Größtenteils resultieren die Differenzen daraus, dass die Verkaufsvorgänge mit dem Wert „Z_BON = 0“ gespeichert wurden“, heißt es im Schreiben. Er könne sich nicht erklären, was sich dahinter verberge, so der Apotheker, der jetzt bei seinem Dienstleister für die Buchhaltung nachfragen muss. Es geht bei diesem Posten immerhin um 80.000 Euro.

Außerdem stieß der Prüfer auf 13.211,18 Euro „nicht bezahlter“ Rechnungen. Für die Position hat der Apotheker ebensowenig eine Erklärung parat wie für die Differenzen bei bargeldlosen Zahlungen. Knapp 800.000 Euro bezahlten seine Kunden in drei Jahren mit Bankkarten. Hier meldet die Idea-Software zwischen Finanzbuchhaltung und Warenwirtschaftssystem eine Abweichung von knapp 20.000 Euro.

Und dann schreibt das Finanzamt noch: „Des Weiteren erzeugen Kreditverkäufe im Rahmen der Sollversteuerung einen steuerbaren Umsatz. Kreditverkäufe werden daher in den Kassenumsatz einberechnet und ergo als Umsatzanteil unter dem Posten ‚davon Kreditverkauf‘ zwingend ausgewiesen. Auch hier ist eine Verbuchung dieser Beträge in der FiBu auf Anhieb nicht erkennbar. Ich bitte zu den o.g. Punkten um Stellungnahme bzw. Vorlage von weiteren Nachweisen innerhalb der oben genannten Frist.“ Der Sinn dieser Ausführungen erschließt sich dem Apotheker nicht. Es gibt in den nächsten Wochen also viel Klärungsbedarf.

Die gesetzte Frist für die Antworten sollte bereits Anfang Januar ablaufen: „Das kann ich gar nicht leisten“, empört sich der Apotheker und hat jetzt zunächst einmal die Aussetzung des Termins erreicht. Gemeinsam mit seinem Steuerberater wird er die jetzt Unterlagen wälzen und hoffen, dass er die offenen Punkte so weit wie möglich ausräumen kann.

Am meisten aber ärgert den Apotheker die Sache mit den SMS: Schließlich habe er mit seinem Telefonanbieter eine Flatrate vereinbart, die unabhängig von der Anzahl der verschickten Nachrichten immer gleich bleibe. „Ob die SMS privat oder geschäftlich waren, kann ich doch gar nicht mehr aufklären. Es hat ja auch keine Auswirkung auf den Preis. Außerdem geht das das Finanzamt doch gar nichts an.“

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