Die Anzahl von Scharlach-Diagnosen steigt aktuell rapide. Eigentlich ist die durch Streptokokken ausgelöste Erkrankung gut therapierbar: mit Penicillin oder Cephalosporinen. Die derzeitigen Lieferengpässe bei Fiebersäften und Antibiotika erschweren aber eine schnelle Therapie. Es sind schlichtweg kaum Säfte für Kinder lieferbar. Apotheker Dr. Berthold Pohl und sein Mitarbeiter Christian Fleischhammel machten sich aufgrund der akuten Situation Gedanken wie Patient:innen dennoch versorgt werden können.
Infekte im pädiatrischen Bereich werden häufig mit Antibiotika wie Penicillin oder Cephalosporinen behandelt. Dabei kommt auch Amoxicillin-Saft zum Einsatz: Vorrangig Mittelohrentzündungen oder Erkrankungen der oberen Atemwege werden mit dem Arzneimittel therapiert. Die derzeitigen Lieferengpässe sorgen jedoch dafür, dass die Apotheken wie auch bei Fiebersäften auf die Rezeptur umsteigen müssen, um die Versorgung der Patient:innen zu gewährleisten. Die Krux: Rezeptursubstanzen stehen für Amoxicillin und Cephalosporin nicht zur Verfügung. Für die Herstellung des antibiotischen Saftes muss auf Tabletten zurückgegriffen werden.
Um Abhilfe zu schaffen, haben Apotheker Dr. Pohl und sein Mitarbeiter Fleischhammel, Pharmakant und PTA aus der Max-Weber-Platz-Apotheke in München sich zur Erstellung einer Rezepturvorschrift an einem Artikel in der Zeitschrift „US-Pharmacist“ orientiert. In diesem wird klar beschrieben, wie ein Amoxicillin-Saft aus Tabletten hergestellt werden kann. „Viele Kinderärzte der Umgebung brauchten dringend eine Behandlungsoption für die kleinen Otitis-Patient:innen. Amoxicillin in Form von Tabletten ist immer mal wieder beim pharmazeutischen Großhandel bestellbar.“ Dabei ist die Botschaft der beiden Pharmazeuten klar: „Wir helfen, weil wir es können. Hier ist eindeutig die Kernkompetenz der Apotheker und Apothekerinnen gefragt.“
Dabei bedauert Pohl die unzureichende Bezahlung des Mehraufwandes: „Die Anfertigung ist kein Hexenwerk und dauert im Grunde ebenso lange wie eine derma-pharmazeutische Rezeptur. Für die korrekte Abrechnung müssen wir aber die Ärzt:innen bitten, Rezepte über solche Rezepturen auszustellen. Bei der Taxierung schreiben wir sicherheitshalber dazu, dass Fertigsäfte nicht lieferbar sind.“
Für die Rezeptur wird der Wirkstoff Amoxicillin gepulvert in die Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen eingearbeitet (NRF S.52.). Diese gilt im pädiatrischen Bereich als unbedenklich. Als Geschmackskorrigens und Geruchsmaskierung dient Süßorangenschalenöl (Oleum Aurantii dulcis). „Wir haben mehrere Versuche gemacht und konnten auch nach 24 Stunden Lagerung im Kühlschrank eine gute Aufschüttelbarkeit feststellen. Es fand zudem kein ‚Caking` statt“, so Pohl.
„Caking“ sollte bei derart angefertigten Säften nicht auftreten: Der eingearbeitete Wirkstoff setzt sich am Boden fest und ist nicht mehr gut aufzuschütteln (redispergierbar), eine gleichmäßige Wirkstoffverteilung demnach ausgeschlossen. „Es gibt auch keinerlei Probleme mit Zusatzstoffen oder dem Süßungsmittel in der Zubereitung“, so der Apotheker.
Für die Zubereitung werden zunächst sechs Tabletten mit jeweils 1000 mg Amoxicillin gemörsert, um danach eine exakte Menge von 5000 mg reinem Wirkstoff einwiegen zu können. Da es zu Pulververlusten beim Mörsern kommt, muss die Substanz im Überschuss verrieben werden. Das eingewogene Pulver wird in einer Fantaschale mit der gleichen Menge Suspensionsgrundlage angerieben, bis eine gleichmäßige Paste ohne Agglomerate entsteht. Diese Anreibung wird dann schrittweise mit weiterer Grundlage bis zur Endmasse unter häufigem Abschaben aufgefüllt.
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