Offener Brief an Karl Lauterbach

Apotheker entsetzt über Verharmlosung der Liefersituation

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Berlin -

Die aktuelle Versorgungssituation in den Apotheken hat sich laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) „Gott sei Dank deutlich entspannt“. Die am Dienstag in Düsseldorf geäußerte Meinung des Gesundheitsministers sorgt in der Apothekerschaft eher für Entsetzen als für entspanntes Aufatmen. Heiko Meyer, Inhaber der Ruhrland-Apotheke in Bochum-Stiepel, fragt sich, ob Lauterbach „vollkommen die Realität vor Ort aus den Augen verloren“ habe.

Mit „Entsetzen“ habe Meyer die Aussage Lauterbachs zur Entspannung der Versorgungslage in deutschen Apotheken und auf dem Medikamentenmarkt zur Kenntnis genommen. Für ihn ist klar: „Das geht doch völlig an der Realität vorbei.“ Für Meyer und viele andere Apothekeninhaber:innen stellt sich die aktuelle Situation in den Apotheken vor Ort ganz anders dar: „Die Versorgungslage mit antibiotischen Arzneimitteln für Kinder sieht schlimm aus. Aktuell ist tatsächlich als einziges antibiotisches Medikament das Produkt Infectotrimet erhältlich. Ein Medikament, das ausschließlich zur Behandlung von Harnwegsinfekten zugelassen ist.“

„Mit drei Packungen komme ich nicht weit“

Darüber hinaus sei deutschlandweit nicht ein einziges weiteres Produkt lieferbar. „Die letzte Belieferung in meiner Apotheke mit einem antibiotischen Produkt für Kinder erfolgte am 3. März und bestand aus genau drei Packungen. Wir haben einen Kinderarzt im Haus, der verordnet natürlich deutlich mehr.“ Normalerweise werde Meyers Apotheke vom Großhandel bis zu sechsmal pro Tag mit Medikamenten beliefert, um die Versorgung der Patient:innen permanent sicherzustellen.

Meyer hat seinem Entsetzen in einem offenen Brief an Lauterbach Luft gemacht: „Sollten Sie eine deutliche Entspannung der Situation sehen, stellt sich ernsthaft die Frage nach Ihrer Eignung als Gesundheitsminister der Bundesrepublik Deutschland.“ Die einzige minimale Entspannung der Versorgungslage sieht der Apotheker in der Belieferung mit Ibuprofensäften, hier seien „zumindest von Zeit zu Zeit geringe Mengen“ zu beziehen.

Alle Wirkstärken sind nie gemeinsam verfügbar

Bei Suppositorien mit Paracetamol sehe es nicht viel besser aus: „Bis Anfang des Jahres war praktisch gar nichts verfügbar. Jetzt kommt vereinzelt Ware in maximal 'homöopathischen Dosen'. Mal in der einen Wirkstärke, mal in einer anderen“, so Meyer. Eine gleichzeitige Verfügbarkeit von zwei oder gar allen drei verschiedenen Wirkstärken sei nie gegeben. „Tagesaktuell ist gar kein Produkt für Kinder lieferbar“, ärgert sich der Inhaber.

Auch Kindersaft mit dem Wirkstoff Paracetamol wird inzwischen nur noch von Ratiopharm angeboten. Alle anderen Hersteller haben ihre Produkte aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Paracetamol-Saft von Ratiopharm war seit dem Sommer 2022 durchgehend nicht lieferbar. „Zum Glück haben wir zu unseren Ärzten in der Umgebung einen sehr guten Draht. Wir geben Listen weiter, welche Medikamente überhaupt verfügbar sind“ ,so Meyer. Dabei gehe es gar nicht mehr darum, das „bestwirksamste Medikament“ zu verschreiben, sondern nur noch „überhaupt lieferbare“ Arzneien.

Auf eine eigene Herstellung von pädiatrischen Rezepturen kann der Apotheker auch nicht zurückgreifen: „Ich habe weder die ausreichende Personaldecke, noch bekommen wir überhaupt die Rohware zur Herstellung von antibiotischen Säften.“

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