Für die Homöopathie war 2017 kein gutes Jahr – in den sozialen Netzwerken werden hitzige Debatten geführt mit dem Ziel, das Vertrauen in diese alternative Therapieform zu erschüttern. Auslöser für eine aktuelle Diskussion war ein Post auf Twitter zu Placebo-Globuli. Da stellen sich die Kritiker die Frage: Sind nicht alle Globuli Placebo? Es ist eine Diskussion um die Homöopathie auf dem Rücken des Apothekers entfacht.
Die Lender Apotheke in Sasbach bietet im Webshop Plazenta-Nosoden an. So weit, so gut, Mitbewerber gibt es viele auf diesem Gebiet. Neben Pups-Globuli, Brustheilsalbe und Nosoden-Box sind in der Kategorie Zusatzprodukte auch Placebo-Globuli zu finden. Die Zuckerkügelchen zu 10 g sind für zwei Euro zu haben. Apotheker Michael Becker ist nicht der einzige, der solche Globuli im Angebot hat. Nosoden sind für den Apotheker eine wertvolle Therapieform mit langer Tradition. Der homöopathieaffine Apotheker hat mit der Herstellung der Nosoden 2011 begonnen. Vorangegangen war die Herstellung der ersten Nosoden für den eigenen Sohn. Die eigenen Erfahrungen haben den Apotheker überzeugt und so wurde aus dem lokalen Angebot auch der Onlinevertrieb. Dass auch Placebo-Globuli im Shop angeboten werden, ist für Becker nichts Verwerfliches. Die Schulmedizin nutze ebenfalls die Placebo-Medizin.
Das Produkt wird im Shop wie folgt beschreiben: „Und manchmal ist der Neid des Geschwisterchens einfach so groß, dass man fast nachgeben möchte. Hierfür bieten wir Ihnen eine Alternative: Unsere wirkstofffreien Placebo Globuli.“ Die Frage, ob es gut ist, einem Kind ein Scheinmedikament zu geben, ist für den Apotheker berechtigt. Aber im selben Atemzug die ganze Homöopathie durch den Kakao zu ziehen, nicht – zumal die alternative Heilmethode zwar umstritten, aber anerkannt ist.
Becker ist seit 2006 selbstständig und hat in seiner Apotheke vor Ort viel Zulauf von jungen Müttern und Hebammen. Er will niemanden zur Homöopathie missionieren, sondern bietet sie ergänzend zur Schulmedizin an. Wichtig für die Wirkung eines Arzneimittels sind das Vertrauen in und die Einstellung zum Medikament. So habe man mit der Schulmedizin bei einem Anhänger der Homöopathie keinen Erfolg und umgekehrt. Becker hat einen Ruf zu verlieren. Die ersten Kunden zeigen sich nach der Debatte jedoch solidarisch, Becker hat bislang keinen Vertrauensverlust zu verzeichnen.
In den sozialen Medien bricht über den Apotheker und die Homöopathie jedoch ein Shitstorm herein – ein Placebo des Placebos. Für die Twitterperlen ist es „jetzt schon mein Highlight 2018“. „Das ist im Prinzip nichts Aufregendes, denn Placebo-Globuli oder unarzneiliche Globuli gibt es schon lange und überall“, schreiben andere.
„Auch andere Apotheken verkaufen Placebo-Globuli. Nur sagen sie es nicht ganz so offen, dass es sich dabei um Kügelchen handelt, die nie mit einem Wirkstoff in Berührung gekommen sind“, ist auf T-Online zu lesen. Eine Verkaufsstrategie also? Schließlich sei in Globuli durch das wiederholte „Verdünnen und Schütteln“ ohnehin kein Wirkstoff mehr nachweisbar.
Die Macht der sozialen Medien – das ist die bittere Pille, die der Apotheker schlucken musste. Eine große Lehre hat er gezogen: Einen Post sollte er nicht so einfach wegklicken. So geschehen mit einer Anfrage vom Informationsnetzwerk Homöopathie (INH). Die Kritikerinitivative wollten wissen, ob Becker „diese Produkte für wirklich sinnvolle Medikationen hält“. Dass er den Post löschte und antworte, er habe „einfach keine Lust, mich mit Homöopathiegegnern rumzustreiten“. Das wurde ihm als „fast patziges Verhalten“ ausgelegt.
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