„Empört euch! Engagiert euch!“ Das forderte der Aktivist und UN-Diplomat Stéphane Hessel vor einigen Jahren in zwei vielbeachteten Essays und sorgte damit für großes Aufsehen. Margit Schlenk, Inhaberin der Moritz-Apotheke in Nürnberg und ehemaliges Vorstandsmitglied der Bayerischen Apothekerkammer, packt die Sachen auch lieber selbst an. Sie fordert ihre Kollegen ebenfalls auf: Bringt euch mehr ein!
Bei allen Veranstaltungen, Aktionstagen oder Messen, die sich der Gesundheit widmen, müssen Apotheker vertreten sein, fordert die Pharmazeutin, die gleichzeitig Pressesprecherin von Kammer und Verband in der Region Nürnberg ist. „Engagiert euch, sobald irgendetwas stattfindet, das mit Gesundheit zu tun hat“, appelliert sie an den Berufsstand. Zuletzt war sie deshalb auch selbst gefordert.
Recht ungehalten war sie nämlich, als sie die Ausstellerliste des Nürnberger Weltdiabetestages am 17. November sah: Hersteller wie Roche, Sanofi oder Novo Nordisk waren dabei, auch der Süßstoffverband stand auf der Liste. Zudem kommen drei Versender – doch die Apotheken vor Ort, vertreten durch die Apothekerkammer, waren nicht zu finden. „Menschen wie ich schlucken dann. Solche Aktionstage können nicht ohne den Akteur Apotheke stattfinden“, sagt sie. Nach einer ersten Unmutsbekundung auf Facebook legte die auf Homöopathie und Naturheilverfahren spezialisierte Pharmazeutin sich also selbst ins Zeug und nahm das Telefon in die Hand.
Auf Widerstände sei sie bei den Organisatoren des Aktionstages nicht gestoßen, ganz im Gegenteil, es habe sich nur um ein Missverständnis gehandelt, betont die Mitgründerin des Wissenschaftlichen Institut für Prävention im Gesundheitswesen (WIPIG), das sich seit Jahren in der Betreuung von Diabetes-Patienten engagiert. „Der Diabetikerbund schätzt die Apotheker vor Ort auch sehr. Wir haben dann ganz rasch und kollegial, so wie es sich gehört, dieses Thema aus der Welt geschafft.“ Es sei diese „top organisierte Zusammenarbeit“, die es ermögliche, „sich auf eine Lösung zu konzentrieren, statt nur das Problem zu sehen“.
Alles sei innerhalb eines Tages erledigt gewesen und Schlenk zeigt sich schon jetzt stolz auf das Ergebnis: „Der Bayerische Apothekerverband wird beim Weltdiabetestag einen richtig tollen Aktionsstand haben, der ganztags von Apothekern und PTA betrieben wird, die vor Ort Blutzucker messen.“ Zu den Angeboten werde auch eine umfassende Beratung zu Diabetesbehandlung und -prävention gehören. Die Teilnahme an solchen Veranstaltungen sei jedoch nicht nur ein Signal an die Patienten, sondern auch an die übrigen Akteure im Gesundheitswesen: „Wir präsentieren uns dadurch als kompetente Netzwerkpartner und senden auch eine Botschaft an die Politik: Ohne Apotheker könnt Ihr keine Prävention betreiben!“
Rundum glücklich ist sie aber trotzdem nicht, Schlenk stößt sich an der Teilnahme des Süßstoffverbands. Der habe auf einem Diabetestag nichts zu suchen. In ihrer Nürnberger Moritz-Apotheke bietet Schlenk seit Längerem auch Darmberatung an und hat sich entsprechend zum Thema Mikrobiom weitergebildet. Ihr Fazit: „Es gibt mittlerweile wissenschaftliche Belege, dass Süßstoffe die Darmflora verändern und zu einer verstärkten Nährstoffaufnahme führen. Der Diabetiker braucht keine Süßstoffe, sondern muss sein Essen richtig auswählen!“
Entsprechend wenig hält sie auch davon, wenn Politik und Industrie Süßstoff zur Zuckerreduktion vorschlagen: „Wenn man Zucker durch Süßstoff ersetzt, treibt man doch den Teufel mit dem Beelzebub aus! Das gehört auch zur Aufklärung, die der Apotheker leisten muss.“ Doch da gebe es doppelte Standards. „Uns Apothekern wird vorgeworfen, wir sollten keine Ernährungsberater sein, weil wir ja auch Produkte verkaufen. Und dann ist die Süßstoffindustrie beim Weltdiabetikertag!“
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