Verblisterung

Apotheker befürchten Kontrollspirale Janina Rauers, 25.02.2010 14:31 Uhr

Berlin - 

Unmöglich oder zumindest unbezahlbar: So schätzen maschinell verblisternde Apotheken die Anforderungen ein, die die Pharmazieräte an sie stellen wollen. Obwohl die Leitlinie - falls sie beschlossen wird - rechtlich unverbindlich ist, warnen die Apotheker vor gravierenden Folgen für jede Apotheke. Die Hersteller von Blisterautomaten geben sich dagegen zuversichtlich.

Obwohl die patientenindividuelle maschinelle Verblisterung insbesondere für Heimpatienten vielerorts bereits Realität ist, gibt es bislang keine einheitlichen Vorgaben für die Herstellung. Pharmazieräte der Projektgruppe des Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesens (AATB) arbeiten bereits seit knapp zwei Jahren an einer Leitlinie, die den Behörden als Orientierung bei der Kontrolle maschinell verblisternder Apotheken dienen soll. Verabschiedet ist das Papier noch nicht, dennoch gibt es bereits Aufsichtsbehörden, die sich auf den Entwurf stützen.

Die Apotheker lehnen den Vorstoß der Pharmazieräte ab. Der Entwurf enthalte hohe Qualitätsanforderungen, die nicht jede Apotheke erfüllen könne. „Die AATB-Forderungen orientieren sich sehr an der industriellen Arzneimittelherstellung“, sagte Detlef Steinweg, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA), gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Der Leitlinienentwurf sieht vor, dass sich maschinell verblisternde Apotheken - genauso wie Blisterzentren mit Herstellungserlaubnis - an GMP-Leitlinien orientieren sollen. Diese Gleichstellung würde nach Einschätzung des BVKA den Aufwand für die Apotheken unverhältnismäßig stark erhöhen.

Der Verband schießt zurück: Die Apothekenbetriebsordnung stelle bereits sicher, dass nur pharmazeutisch ausgebildetes Personal Medikamente verblistern dürfe. Blisterzentren könnten jedoch auch angelernte Hilfskräfte beschäftigen. Zur Sicherung der Qualität seien deshalb strengere Vorgaben bei der Industrie gerechtfertigt.

Der BVKA fürchtet zudem einen Dammbruch im gesamten Rezepturbereich: Setzten sich GMP-Richtlinien als Maßstab für das Verblistern durch, könnten sie künftig auch für die Herstellung von Zytostatika, Kapseln oder Salben gelten. Im Extremfall müssten so auch Teemischungen den hohen Anforderungen genügen, warnt der Verband. Er befürchtet, dass die Rezepturherstellung dann nur noch von wenigen Schwerpunktapotheken übernommen werde. „Das Herstellen von Rezepturen muss aber in jeder Apotheke möglich sein“, sagte der BVKA-Vorsitzende Dr. Klaus Peterseim gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Kritisch sieht der BVKA auch die im Leitlinienentwurf geforderte Risikoanalyse, mit der geprüft werden soll, ob Arzneimittel für die Verblisterung geeignet sind: Die Zahl der verblisterfähigen Medikamente werde künftig auf ein „Schmalspursortiment“ schrumpfen.

Eine Befürchtung, die die Hersteller von Blisterautomaten nicht teilen: Bis auf „eine Handvoll“ seien alle Medikamente verblisterbar, heißt es bei Tosho. Wie HD Medi unterstützt auch Tosho seine Kunden, etwa mit Schulungen und Materialien zur ordnungsgemäßen Reinigung und zur Analyse verblisterfähiger Medikamente.

Von einem Rückgang der maschinellen Verblisterung in Apotheken mag derzeit keiner der Hersteller sprechen - im Gegenteil: Zurzeit verblistern geschätzte 70 bis 80 Apotheken mit rund 130 Automaten in ihren eigenen Räumen. Bei Tosho rechnet man für 2010 mit rund 20 Neuverkäufen.