Apotheker als Notarzt unterwegs Alexander Müller, 21.03.2017 09:55 Uhr
Arzt und Apotheker – das ist ein sehr spezielles Verhältnis. Wo sich beide verstehen und gut zusammenarbeiten, profitieren die Patienten ungemein. Aber es gibt auch Vorurteile, Missverständnisse und echte Problembeziehungen. Apotheker Dr. Stefan Spaniel hat keine Probleme mit Ärzten, er ist nämlich selbst einer.
Eine Filiale zu gründen in einem Dorf mit dreistelliger Einwohnerzahl – auf diese Idee kommen sicher nicht viele Apotheker. Doch Spaniel ließ sich 2015 von einem engagierten Bürgermeister überzeugen und ging das Wagnis ein. Und siehe da: Die „Apotheke am Forst“ in Dentlein am Forst läuft gut, der Bürgermeister hatte zuvor schon einen Arzt aufgetrieben. Und weil die Kunden in den jungen Filialleiter ganz vernarrt sind, kann Spaniel sich überwiegend um seine Löwen-Apotheke in Feuchtwangen kümmern.
Und selbst das ist relativ. Denn parallel ist Spaniel auch als Arzt tätig: Zweimal im Monat schiebt er im Nachtdienst in der Notaufnahme Innere Medizin der Anregiomed Klinik Dinkelsbühl, von nachmittags bis zum Morgen. Und zwei- bis dreimal im Monat ist er als Notarzt in der Region unterwegs. Die Notarztdienste werden von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) organisiert. Natürlich hat sich Spaniel beide Nebentätigkeiten genehmigen lassen, die Aufsichtsbehörde hat kein Problem mit seinem Doppeldasein.
Als Apotheker kann ein „Dr. med“ im Namen sicher nicht schaden, wenn man mit den verordnenden Ärzten kommuniziert. In einer Kleinstadt sei das Verhältnis ohnehin traditionell enger, berichtet Spaniel, und als Kollege habe er es vielleicht noch etwas leichter. Noch spielt der Apotheker-Arzt mit dem Gedanken, ganz die Seiten zu wechseln und sich als Allgemeinmediziner in dem chronisch unterversorgten Gebiet niederzulassen. Die KV suche händeringend nach Medizinern.
Dazu müsste Spaniel jetzt noch seinen Facharzt für Allgemeinmedizin dranhängen. Die Zukunft seiner Apotheke wäre gesichert: Seine Frau ist auch Apothekerin. Allerdings fürchtet Spaniel nach seinen Erfahrungen aus dem Krankenhaus, dass er als Arzt noch mehr Bürokratie zu bewältigen hätte. „Und ich hänge schon sehr an meiner Apotheke“, sagt er. Vielleicht noch mehr als andere Apotheker behält er die politische Entwicklung nach dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni im Blick. Wenn der Gesetzgeber nicht im Sinne der Apotheker reagiert, bleibt ihm die Praxis als Ausweg.
Für Medizin hat sich Spaniel schon immer interessiert, doch nach dem Abitur lag auch ein Pharmaziestudium nahe: Sein Vater betrieb in Feuchtwangen schon eine Apotheke. Nur war das Abitur des Sohnes nicht so gut, dass er 1989 sofort auf einen Platz an der Uni hoffen durfte. Deswegen plante Spaniel seinerzeit, ein Medizinstudium in Ungarn aufzunehmen. „Die Fakultät in Budapest hatte einen guten Ruf und dort hätte ich vermutlich sofort anfangen können“, berichtet Spaniel.
Doch es kam anders. Die Bewerbungsunterlagen für Budapest waren fertig, da erhielt Spaniel im Nachrückverfahren einen Platz für Pharmazie in Würzburg und er trat das Studium dort an. An seinen ersten Praktikumstag im Labor erinnert er sich noch ganz genau: „Zur Begrüßung hat der Assistent gesagt, wer seinen Studienplatz zurückgeben möchte, solle sich an ihn wenden – wegen der Tauschbörse. Das waren seine ersten Worte.“
Er habe sich anfangs selbst auch schwer getan, berichtet Spaniel. Doch er biss sich durch und hatte schließlich das 3. Staatsexamen in der Tasche. Sein Vater – der die Apotheke noch nicht übergeben wollte – habe ihn dann ermuntert, ein Medizinstudium dranzuhängen. Also rief Spaniel bei der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) an, um sich nach den Möglichkeiten eines Zweitstudiums zu erkundigen. Hier kam ihm der sogenannte Medizinertest zugute, den er vor seinem Erststudium schon absolviert hatte. Weil er unter den 1 Prozent Besten seines Jahrgangs abgeschnitten hatte, konnte er sofort anfangen.
Nur den Studienort konnte er sich nicht aussuchen. Die ZVS schickte ihn nach Leipzig – und dort sah es 1997 noch deutlich anders aus als heute. Erst war Spaniel überhaupt nicht begeistert, doch das legte sich schnell. Die Professoren seien sehr unprätentiös gewesen. „Die konnte man gefahrlos auf dem Gang ansprechen, wenn man eine Frage hatte.“
Bei den Kommilitonen konnte Spaniel übrigens keine gravierenden Unterschiede ausmachen. Es habe eigentlich in beiden Studiengängen dieselben Typen gegeben, vom Streber bis zum Feierlustigen. „Deswegen wundert es mich, dass die Berufe später oft Probleme haben, den Weg zueinander zu finden“, sagt Spaniel. Er hat leicht reden, führt sein Weg doch schon morgens nur vor den Badezimmerspiegel.