Die Kunden der Neon-Apotheke in Düsseldorf können ab sofort ihre Medikamente mit Kryptowährung bezahlen. Da gefühlt täglich neue Währungen hinzukommen, beschränkt sich Apotheker Andreas Neumann-Dudek auf Bitcoin Cash und Ethereum. Er ist überzeugt: Damit die Kryptowährung mehr als Spekulationsobjekt sein kann, muss sie in der realen Wirtschaft verankert werden. Dafür nimmt er auch gern Risiken in Kauf.
Es sind märchenhafte Kurssprünge, die die wohl bekannteste digitale Währung Bitcoin im vergangenen Jahr hingelegt hat. Aktuell bewegt sich die sogenannte Kryptowährung bei einem Wert von rund 11.000 Dollar je Einheit. Während die ersten Bitcoin-Einheiten von 2009 nur wenige Cent wert waren, stieg der Kurs im vergangenen Jahr zeitweise auf mehr als 20.000 Dollar.
Die Besitzer der Kryptowährung können ihren Reichtum inzwischen auch in reale Güter wandeln. Gar nicht so wenige Händler akzeptieren die Währung: vom Onlinegiganten bis hin zum kleinen Café. Seit wenigen Tagen können auch Kunden der Düsseldorfer Neon-Apotheke mit Bitcoin Cash und Ethereum zahlen.
„Ich finde die neue Technologie faszinierend“, sagt Neumann-Dudek. Bereits 2013 habe er sich zum ersten Mal mit der Thematik beschäftigt. Damals hatte die älteste Kryptowährung Bitcoin erstmals die 1000-Euro-Marke geknackt. „Damit wurde das Geld neu erfunden“, meint der 42-Jährige. Schade findet er jedoch, dass „dieser riesige Geldberg“ nicht ausgegeben wird. Damit die Kryptowährung nicht als reines Spekulationsobjekt ende, müsse sie in der Realwirtschaft verankert werden. Das gelinge nur dann, wenn möglichst viele Händler Zahlungen in Kryptowährung akzeptierten.
Um diesen Service überhaupt anbieten zu können, musste aber eine elektronische Wallet, zu deutsch Brieftasche, in das EDV-System der Apotheke implementiert werden. „Das war gar nicht so einfach“, berichtet der Apotheker. Sein Software-Anbieter sei jedenfalls keine Hilfe gewesen. Dort habe man sofort abgewunken, als Neumann-Dudek anfragte, ob man ein entsprechendes Programm zur Verfügung stellen könne. Am Ende hat eine kleine Düsseldorfer Werbeagentur die benötigte elektronische Wallet programmiert.
Um zu bezahlen, braucht der Kunde ebenfalls eine mobile Wallet, die es als Smartphone-App gibt. Mithilfe eines QR-Code werde die Kryptoadresse der Apotheke an die mobile Wallet des Kunden übermittelt, erklärt Neumann-Dudek weiter. Dieser muss den passenden Betrag eingeben, der an die Apotheker transferiert wird. Dabei gilt der jeweilige Kurs zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses, basierend auf den Zahlen der Plattform Coinmarketcap. „Ich kann die Kryptowährung dann kumulieren oder an die Börse fließen lassen und dort in Euro transferieren“, so der Apotheker.
Seitens der Aufsicht erwartet er keine Einwände. „Aus finanzrechtlicher Sicht ist die Kryptowährung der normalen Währung gleichgestellt“, so der Apotheker. „Die Kammer kann mir ja auch nicht verbieten, Schweizer Franken anzunehmen. Wofür ich meine Ware abgebe, ist letztendlich meine Entscheidung.“
Auch die nicht unerheblichen Kursschwankungen des Kryptogeldes schrecken den Apotheker nicht ab. „Es geht mir dabei ja auch nicht darum, reich zu werden“, so Neumann-Dudek. „Ich möchte einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die digitale Währung sich durchsetzt. Die dezentrale Struktur der Kryptowährungen bietet meiner Überzeugung nach mehr Spielraum für ein Leben in Eigenverantwortung.“
Mit einem Ansturm von Kunden, die mit Kryptowährung zahlen wollen, rechnet der Apotheker allerdings nicht. „Der durchschnittlicher Bürger wird nur äußerst selten mit der Kryptowährung bezahlen können“, räumt er ein. „Aber vielleicht verirren sich ja Touristen oder Geschäftsleute aus dem Ausland, vor allem aus Asien, in meine Apotheke.“ Denn in China oder Südkorea gibt es einige Privatleute, die die Währung besitzen. In Japan ist Bitcoin sogar als offizielles Zahlungsmittel anerkannt.
Ob tatsächlich einer von den Bitcoin-Besitzern den Weg in die Neon-Apotheke findet, bleibt abzuwarten. Schien das Bezahlen mit der Kryptowährung vor einigen Jahren auf dem Vormarsch, bekommen zumindest deutsche Händler heute solche Kunden offenbar nur selten zu Gesicht. „Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann der letzte Kunde mit Bitcoin bezahlt hat“, sagt Niels Göttsch, der Besitzer der Kaffeebar Leuchtstoff in Berlin. Er soll bei Weitem nicht der einzige Ladenbetreiber sein, dem es so geht.
Anfangs habe es wenigstens noch um die zehn Bitcoin-Zahlungen pro Jahr gegeben, berichtete Göttsch. Inzwischen seien die Transaktionen aber ganz versiegt. „Die Mitarbeiter vergessen schon, wie das mit der Bitcoin-Annahme überhaupt funktioniert.“ Auch die Berliner Konditorei Engelmann soll in letzter Zeit gar keine Bitcoin-Anfragen mehr bekommen.
So geht es nicht nur den kleinen Geschäftsleuten. Der Computer-Riese Dell soll Bitcoin-Zahlungen wegen „geringer Nachfrage“ längst wieder abgeschafft haben. Anfang Dezember sah sich sogar der Online-Computerspielehändler Steam trotz seiner cyber-begeisterten Kundschaft gezwungen, die Bitcoin-Annahme einzustellen. Microsoft und der Time-Verlag wollten sich zu ihren Erfahrungen mit Bitcoin nicht äußern.
Der führende Bitcoin-Zahlungsabwickler Bitpay zieht dennoch ein positives Fazit für 2017. „Wer nicht unter einem Stein lebt, wird gesehen haben, dass das tägliche Transaktionsniveau in diesem Jahr neue Höchststände erreicht hat“, heißt es von dem Unternehmen aus Atlanta. Man habe erstmals Zahlungen von mehr als einer Milliarde US-Dollar ausgeführt, das Wachstum betrage 330 Prozent auf Jahressicht. Gemessen am gesamten E-Commerce-Markt ist das Zahlungsvolumen allerdings eher bescheiden. Zum Vergleich: Alleine bei der Rabattschlacht „Cyber Monday“ wurden mehr als sechs Milliarden Dollar im Internet ausgegeben — an einem einzigen Tag und nur in den USA.
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