Apothekenschließung

Inhaber heuert bei Konkurrenz an Silvia Meixner, 24.10.2017 08:00 Uhr

Berlin - 

Adieu nach 456 Jahren: Ende Oktober schließt die Schiller-Apotheke im baden-württembergischen Crailsheim. Für Apotheker Christian Hepner ist aber lange noch nicht Schluss. Sein neuer Arbeitsplatz befindet sich nur 80 Meter von seiner bisherigen Wirkungsstätte entfernt. Ab November ist er im Team der Rats-Apotheke am Marktplatz.

Die Schiller-Apotheke ist die älteste Apotheke Crailsheims, im Jahr 1561 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt. Aber alt zu sein allein reicht oft nicht aus, um Perspektiven für die Zukunft zu haben. Ein Umbau wäre zu teuer gewesen, ein Nachfolger war nicht in Sicht. Die Umsätze waren auf Dauer nicht befriedigend, die Apotheke hätte barrierefrei gestaltet werden müssen. So fiel die Entscheidung, die Apotheke zu schließen.

„Ich mache seit 1980 Apotheke“, sagt Hepner. „Da kommt man langsam in ein Alter, in dem man an die Rente denken darf.“ Langsam. Denn so ganz aufhören möchte der 62-Jährige doch nicht. Die Lösung und das Happy-End lagen nur ein paar Meter entfernt. Seine Zukunft sieht, verglichen mit Jahrzehnten Selbstständigkeit, golden aus: geregelte Arbeitszeiten, ein freundliches Team, keine Bürokratie mehr, viel Kontakt mit den Kunden. Genau so stellt sich Hepner das vor: „Ich hatte jahrzehntelang eine 70-Stunden-Woche. Und jeden Nachtdienst selbst gemacht. Ich habe nie mehr als 14 Tage Urlaub im Jahr gemacht.“

Eigentlich wollte er erst im nächsten oder übernächsten Jahr aufhören. Doch dann kündigte eine Mitarbeiterin und in seinem Umfeld häuften sich die Schreckensnachrichten: „Es gab etliche Krankheits- und Todesfälle in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Da wurde mir die Endlichkeit des Seins bewusst.“ Und der Gedanke, dass das Leben nicht nur aus Arbeit bestehen sollte, wurde drängender.

Ganz ohne Offizin wollte er allerdings auch nicht sein. Also hörte er sich um und rief schließlich beim Nachbarn und bisherigen Konkurrenten in der Rats-Apotheke an, ob man einen Apotheker benötige. „Mein Ziel war es, irgendwo hinzugehen, wo ich meine Kunden mitnehmen kann.“ Es ist eine Win-Win-Situation: Die alten Kunden behalten ihre bewährte Anlaufstelle, der neue Arbeitgeber freut sich über weniger Konkurrenz und neue Kunden. Und über einen erfahrenen neuen Mitarbeiter.

Am 30. Oktober wird die Schiller-Apotheke zum letzten Mal geöffnet sein. „Bis dahin räumen wir alles. Die Einrichtung stammt noch aus den 50er-Jahren“, erzählt er. Das meiste holt ein Abbruchunternehmen ab, das einen Teil verwerten kann. Wehmut ja, weinen nicht. „Natürlich ist nach so langer Zeit ein bisschen Wehmut dabei“, sagt er, „aber geweint wird nicht. Ich schaue lieber nach vorne.“

Der ehemalige Chef wird jetzt zum Angestellten. Probleme hat Hepner damit nicht. Er freut sich auf die neuen Aufgaben und darauf, auch mal pünktlich nach Hause gehen zu können. Seine neue Freizeitgestaltung stellt er sich so vor: „Ich würde gern mehr Sport machen, Fahrrad fahren zum Beispiel. Und Nicht-Pharmazeutisches lesen. Ich könnte mir auch vorstellen, etwas zu studieren, Philosophie oder Informatik.“ Alles neben dem Beruf, den er noch viele Jahre ausüben möchte. „Ich arbeite sehr gerne, Pharmazie ist das Richtige für mich. Ich hatte immer schon eine Affinität zu Naturwissenschaften. Zu verstehen, wie ein Medikament wirkt, finde ich auch heute noch hoch spannend.“ Nicht vermissen wird er die Verantwortung für Apotheke und Mitarbeiter und die Bürokratie und Administration. Am kommenden Montag ist in der Löwen-Apotheke sein letzter Arbeitstag. Am 1. November geht‘s fast nebenan dann wieder los.