Apotheken dürfen für Hausspezialitäten, die sie im Rahmen der Defektur herstellen, bei ihren Kunden werben. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Parallel kam aber das Oberlandesgericht Köln (OLG) zu dem Ergebnis, dass sie es dabei nicht übertreiben sollten: Wer spezielle Arzneimittelzubereitungen im Versandhandel anbietet, braucht demnach eine Zulassung.
Vor dem BGH ging es um Weihrauch-Kapseln, die Johannes Ertelt, Inhaber der Hohenzollern-Apotheke in Bisingen, als Defektur herstellt. Wegen der Werbung in einer Patienteninformation und einer Broschüre war der Apotheker von Hecht Pharma, dem Hersteller des Nahrungsergänzungsmittels „H 15 Weihrauch“, abgemahnt worden.
Hecht Pharma hatte mit Verweis auf §3a Heilmittelwerbegesetz (HWG) argumentiert, für nicht zugelassene Arzneimittel dürfe nicht geworben werden. Ertelt hielt entgegen, dieses Verbot gelte nur für Medikamente, die eine Zulassung benötigten – und damit nicht für Defekturen, die von der Zulassungspflicht befreit seien.
Nach §21 Arzneimittelgesetz (AMG) brauchen Arzneimittel keine Zulassung, wenn sie „auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind“. In Ertelts Apotheke wurden 213 Packungen hergestellt – also deutlich weniger, als das AMG erlaubt.
Der BGH hatte die Frage nach Luxemburg geschickt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sah das Herstellen einer Defektur als handwerkliches Verfahren und nicht als Fertigung im großen Maßstab oder gar Serienproduktion. Selbst wenn ein Gericht zu der Einschätzung komme, dass eine Zubereitung gewerblich oder unter Anwendung eines industriellen Verfahrens hergestellt werde, falle dies zwar in den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie für Humanarzneimittel. Allerdings gelten laut EuGH auch hier Ausnahmen für Apotheken, sofern nach den Vorgaben einer Pharmakopöe gearbeitet wird, wie in AMG und ApBetrO vorgeschrieben.
So konnte der BGH den Fall nun abschließen. Angesichts der „tatrichterlich festgestellten Einhaltung der Obergrenze von hundert hergestellten Packungen am Tag“ waren Ertelts Weihrauchkapseln nicht als zulassungspflichtig einzustufen und damit vom Werbeverbot nicht erfasst.
Parallel musste sich das OLG Köln mit einem Schmerzspray beschäftigen, dass der Hürther Apotheker Tobias Loder über den Webshop seiner Apotheke Lux 99 vertrieb. Das Produkt enthielt 15 Prozent Lidocain und war damit aus Sicht der Wettbewerbszentrale zulassungspflichtig. In Bad Homburg mahnte man die Werbung als wettbewerbswidrigen Verstoß gegen §3a HWG ab und klagte.
Die Wettbewerbszentrale vertrat die Auffassung, dass es sich nicht um ein Defekturarzneimittel handele, da es nicht regelmäßig von Ärzten verschrieben werde. Auch erfolge die Herstellung nicht im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes. Eine solche könne nur angenommen werden, wenn das Medikament für den in der Umgebung um den Sitz der Apotheke sich aufhaltenden Personenkreis bestimmt sei, nicht aber bei einem bundesweiten Versandhandel, so die Wettbewerbszentrale.
Das OLG kam zu dem Schluss, dass das Spray als zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel einzustufen ist. Rezepturen und Defekturen seien „von der Zulassungspflicht ausgenommen, weil sie – nach ärztlicher Anordnung – für einen einzelnen Patienten hergestellt werden“. Loders Schmerzspray werde dagegen „nicht für den einzelnen Patienten nach ärztlicher Anordnung hergestellt, sondern für alle potentiellen Kunden beworben, die das Arzneimittel sodann über die Versandapotheke des Beklagten bundesweit erwerben können“. Außerdem werde es in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Verpackung vertrieben.
Fertigarzneimittel sind laut §4 AMG als Arzneimittel definiert, die „im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden“.
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