Dass der Verkauf von Produkten über Ärzte berufsrechtlich so gut wie unmöglich ist, wissen die Hersteller. Trotzdem setzen einige auf die Praxis als Vertriebskanal und versuchen, sich die Autorität des Mediziners zu Nutze zu machen. Dass etwa Galderma Tipps gibt, wie die strengen Vorgaben sicher umschifft werden können, sieht Rechtsanwältin Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale kritisch.
ADHOC: In einer Art Leitfaden rät Galderma den Ärzten, medizinische Fachangestellte oder anderes Hilfspersonal aus der Praxis im Gewerbe als Verkäufer zu beschäftigen. Ist der Arzt damit aus dem Schneider?
KÖBER: Ein solches Vorgehen halte ich für ausgesprochen risikoreich – gerade im Hinblick auf die Berufsordnung. Denn Ärzten ist es nicht nur verboten, im Zusammenhang mit ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren zu verkaufen, sondern auch, solche verkaufen zu lassen. Jedem muss sich erschließen, dass solch ein Vorgehen eine Umgehung des berufsrechtlichen Verbots ist.
ADHOC: Eigens eingestelltes Personal für die Kaufmannstheke geht also nicht in der Praxis?
KÖBER: Nein, eine strikte Trennung liegt nicht vor, wenn ich aus der Sprechstundenhilfe eine Verkaufskraft mache und sie an der Theke Kosmetika verkaufen lasse. Auch wenn ich künstlich Arbeitsverhältnisse konstruiere und meine Angestellten in die Verantwortung stellen will, bin ich wettbewerbsrechtlich selbst zur Verantwortung zu ziehen. Wenn sich Ärzte darauf einlassen, müssen sie sich des Risikos bewusst sein, berufsrechtlich belangt oder auf Unterlassung verklagt zu werden.
ADHOC: Wann darf ein Arzt denn gewerblich tätig werden?
KÖBER: Ärzte dürfen dann gewerblich tätig sein, wenn die Tätigkeit räumlich, organisatorisch und zeitlich von der Praxis getrennt ist – und zwar streng. Während der Sprechstunde dürfen sie keine Produkte abgeben. Im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit ist dies grundsätzlich verboten – soweit nicht notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie, also etwa ein Pflaster, Verband oder Wundmittel.
ADHOC: Wer entscheidet, welche Produkte notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind?
KÖBER: In einem Urteil vom Juni 2005 hat der Bundesgerichtshof schon einmal konkretisiert, was hinreichende Gründe zur gewerblichen Abgabe von Produkten sind: Demnach muss ein Notfall vorliegen oder die Produkte müssen Schulungszwecken dienen. Damals hatte ein Apotheker geklagt, weil ein Sanitätshaus bei einem Arzt ein Depot für Blutzuckerteststreifen angelegt hatte. Die Patienten wurden von den Mitarbeitern des Arztes darauf aufmerksam gemacht, dass die Streifen auch kostengünstig über die Arztpraxis zu beziehen seien. Laut BGH lag hier keine hinreichende Notwendigkeit vor, denn den Patienten war zuzumuten, die Blutzuckerteststreifen in der Apotheke zu beziehen.
ADHOC: Galderma beruft sich aber ebenfalls auf zwei BGH-Urteile.
KÖBER: Mit den Urteilen lässt sich die Abgabe von Produkten nicht allgemein rechtfertigen. Im Urteil zur Ernährungsberatung hat der BGH seine strenge Linie weiter verfolgt und gefordert, dass die Tätigkeiten streng getrennt sein müssen. Die Ernährungsberatung dürfe also nicht im Rahmen der Sprechstunde stattfinden.
ADHOC: Was ist mit dem erheblichen therapeutischen Ermessen, das laut BGH der Arzt hat?
KÖBER: Das muss so ausgelegt werden, dass es die gebotene Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes nicht leerlaufen lässt, das hat der BGH auch gesagt.
ADHOC: Im Brillenurteil verwies das BGH den Fall zurück an die Vorinstanz, die das Vorgehen für rechtswidrig beschied. Wenn schon die Abgabe von Brillen in der Arztpraxis nicht medizinisch notwendig ist, können dann Hautpflegeprodukte medizinisch notwendig sein?
KÖBER: Generell ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob die betreffenden Produkte notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Ein Hautarzt muss für die ärztliche Therapie keine Kosmetikprodukte abgeben. Beispielsweise darf der Arzt dem Akne-Patienten nicht im Sprechzimmer anbieten, ihm dieses oder jenes Präparat zu verkaufen. Das darf er nur abends nach der Sprechstunde und meines Erachtens nicht in der Praxis, auf jeden Fall nicht im Sprechzimmer. Ich kann mir nicht vorstellen, welches Produkt überhaupt in der Praxis verkauft werden sollte, das notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie wäre.
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