Für Filialverbünde ist es – je nach Lage der Standorte – naheliegend und reizvoll, die Herstellung von Rezepturen in einer Apotheke zu bündeln. Doch die Aufsichtsbehörden sehen das nicht gern, da jede Apotheke voll ausgestattet sein muss. Jetzt hat eine Apotheke vor dem Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (OVG) durchgesetzt, dass die Hauptapotheke die Rezepturen für alle drei Filialen herstellen darf. Ein absoluter Freibrief in dieser Frage ist das aber nicht.
In Niedersachsen ist die Apothekerkammer zugleich die Aufsichtsbehörden. Bei einer Revision im April 2013 wurde in die Mängelliste aufgenommen, dass der Apotheker die Rezepturherstellung an einem Standort konzentriert hatte. Dagegen klagte der Inhaber.
Vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück bekam der Apotheker recht. Die Apothekerkammer wollte die Entscheidung vor dem OVG Lüneburg überprüfen lassen. Doch der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde zurückgewiesen. Das OVG hat keine „ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts“. Damit wird dessen Urteil rechtskräftig, denn den Beschluss des OVG kann die Kammer nicht mehr anfechten.
Im Rahmen der Novelle der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) im Jahr 2012 wurde viel über etwaige Erleichterungen für Filialapotheken diskutiert. Zur Debatte stand, ob wirklich jede Offizin in einem Verbund voll ausgestattet sein muss. Letztlich wurden – vor allem auf Drängen der ABDA – keine Abstriche bei den Anforderungen gemacht. Man wollte eine „Apotheke light“ verhindern.
Vor diesem Hintergrund ist die Kammer Niedersachsen offenbar auch gegen den Apotheker vorgegangen, der seine Rezepturherstellung im Filialverbund bündelt. Doch das ist aus Sicht des OVG der falsche Schluss: „Es ist die unternehmerische Entscheidung des Apothekeninhabers, trotz dieser notwendigen Ausstattung jeder seiner Filialen die Herstellung von Arzneien zu konzentrieren“, heißt es im Beschluss.
Vor den Gerichten wurde ausführlich über die Reichweite der ApBetrO gestritten. Grundsätzlich dürfen laut § 17 Apotheken Arzneimittel nicht von anderen Apotheken beziehen. Erwerb und Weitergabe sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig.
Eine Ausnahme gilt laut ApBetrO allerdings innerhalb eines Filialverbunds. Und entgegen der Auffassung der Apothekerkammer lasse die Vorschrift auch den Bezug von Rezepturarzneimitteln von einer Apotheke aus einem Filialverbund zu. „Der Bezug von Arzneimitteln vom Apotheken im Filialverbund gilt für alle Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes“, heißt es im Beschluss.
Aus Sicht der Richter sind Fertig-, Rezeptur-, und Defekturarzneimittel „Unterfälle eines Arzneimittels“. Da die ApBetrO allgemein von Arzneimitteln spreche, sei es grundsätzlich möglich, in einem Filialverbund Rezepturarzneimittel zu beziehen und damit die Herstellung auf eine Apotheke zu verlagern sowie die Rezepturen dort schwerpunktmäßig herzustellen.
Das Gebot der „Vollapotheke“ besagt laut OVG lediglich, dass jede Filiale zur Herstellung von Rezepturen personell und räumlich in der Lage sein und die entsprechenden Ausgangsstoffe vorhalten muss. Dass der Apotheker diese Voraussetzung an allen Standorten erfüllte, war unstreitig. Alles andere ist aus Sicht des Gerichts seine Sache.
Allerdings hat das OVG den Apothekern keinen Freibrief ausgestellt, in jedem Fall die Rezeptur an einem Standort zu konzentrieren. Denn die ApBetrO verlange auch, dass Verordnungen in angemessener Zeit auszuführen seien. „Die Frage der Angemessenheit beurteilt sich nach dem Einzelfall und ist beispielsweise abhängig von den Entfernungen der einzelnen Filialapotheken zueinander und der Art der Rezepturarzneimittel“, heißt es im Beschluss. Eine Organisation der Rezepturherstellung, die die Entfernungsgrenzen gemäß Apothekengesetz ausschöpfe, dürfte im Regelfall zu einem Verstoß führen.
„Relevante und spürbare Verzögerungen“ bei der Rezepturherstellung führen laut Beschluss zu einem Verstoß gegen ApBetrO. Dies sei allerdings im Einzelfall zu beurteilen. Und im vorliegenden Fall habe die Kammer entsprechende Verstöße des Apothekers nicht vorgetragen.
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