Wer eine Apotheke betritt, soll das auch merken. Auf diese einfache Formel lässt sich die Vorgabe zur Raumeinheit in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) bringen. Umstritten ist, was das für die Türen der Offizin bedeutet. Das Verwaltungsgericht Minden (VG) hat hierzu entschieden, dass die Automatiktüren einer Center-Apotheke unter Umständen auch dauerhaft geöffnet sein dürfen – wegen des Versandhandels, Pick-up-Stellen und Außenschaltern.
Zunächst gab es keine Probleme, als Siamak Davoudi seine Vital-Apotheke in einem Herforder Einkaufscenter umbauen wollte. Im November 2014 genehmigte die Aufsicht die Umbaumaßnahmen der Betriebsräume inklusive Neugestaltung des Eingangs mit elektrischer Schiebetür.
Bei der Abnahme im April 2015 musste der Amtsapotheker feststellen, dass entgegen der ursprünglichen Planung nicht nur eine, sondern zwei elektrische Schiebetüren eingebaut worden waren. Das hätte er noch durchgehen lassen, wären die Türen nicht dauerhaft geöffnet gewesen. Er wies den Inhaber darauf hin, dass beide Türen im Ruhezustand geschlossen sein müssten, da die ApBetrO eine Abtrennung von den übrigen Geschäftsräumen erfordere.
Doch bei einer weiteren Kontrolle im Juli waren die Türen wieder offen, der Amtsapotheker monierte den vermeintlichen Verstoß gegen die Vorschriften. Nach einigem Hin und Her erließ die Aufsichtsbehörde im Oktober 2015 schließlich eine Ordnungsverfügung, wonach die Türen zur Ladenzeile des Marktkaufs Herford im Ruhezustand geschlossen sein müssen. Dagegen klagte der Apotheker.
Mit seiner Anfechtungsklage hatte er im November Erfolg: Aus Sicht des VG war die Ordnungsverfügung rechtswidrig. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) 1994 entschieden, dass eine Abtrennung der Apothekenbetriebsräume erforderlich sei, um dem Kunden die Besonderheit der Ware Arzneimittel bewusst zu machen. Das ist aus Sicht des VG aber „angesichts der zwischenzeitlich vorgenommenen Liberalisierung des Apothekenrechts“ heute nicht mehr haltbar.
Die größte Veränderung sieht das VG in der Zulassung des Versandhandels im Jahr 2004. Heute könnten Patienten ihre Arzneimittel beziehen, ohne eine Apotheke zu betreten. Auch die Beratung durch einen Apotheker sei keine Voraussetzung der Abgabe mehr. Das BVerwG habe sogar Pick-up-Stellen in Drogeriemärkten erlaubt und einen „Außenschalter“ an einer Apotheke für zulässig erklärt.
Für das VG ist klar: „Nach dem Willen des Gesetzgebers müssen Kunden die Apothekenbetriebsräume nicht mehr betreten, um Arzneimittel zu erwerben.“ Daher sei vielfach nicht mehr sichergestellt, dass der Kunde vor dem Arzneimittelbezug eine „optisch-räumliche Barriere durchschritten hat, die ihm die besondere Funktion der Apotheke vor Augen führt“.
Beim Außenschalter gebe es diese Barriere beispielsweise nicht mehr, so das Gericht. Und im Internet reiche die Eingabe einer Adresse oder der Klick auf das Ergebnis einer Suchmaschine. Dass der Kunde hier seine persönlichen Daten angeben müsse, sei nicht zu vergleichen, weil dies erst bei der eigentlichen Bestellung geschehe.
Dem Trennungsgebot der ApBetrO kommt laut VG daher heute nicht mehr dieselbe Bedeutung zu wie zu den Zeiten, als Medikamente ausschließlich in Apotheken abgegeben werden durften. Denn bei den anderen zulässigen Vertriebswegen könne es seine Wirkung gar nicht mehr entfalten: „Es kann weder die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Kunde die Beratung durch den Apotheker oder dessen geschultes Personal in Anspruch nimmt, noch das ‚Arzneimittel-Shopping‘ erschweren – zwei Aspekte, denen der Gesetzgeber nach dem oben Gesagten ohnehin keine unerlässliche Bedeutung mehr beimisst“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Der ApBetrO sei jedenfalls nicht mehr zu entnehmen, dass die Türen im Ruhezustand geschlossen sein müssten. Das bedeute im Umkehrschluss aber nicht, dass keinerlei Abtrennung mehr erforderlich wäre: Es sei im Einzelfall zu prüfen, ob eine ausreichende Trennung zu den anderen Verkehrsflächen oder Ladenstraßen vorliege.
Im konkreten Fall hatte das Gericht keine Probleme mit der Abgrenzung: Entgegen der Behauptung der Behörde stünden nicht zwei Drittel der Apothekenfront offen, sondern weniger als die Hälfte – nämlich 3,84 Meter bei einer Gesamtbreite der Apothekenfront von 7,98 Meter. Die Türen würden von undurchsichtigen Wandelementen eingefasst.
Angesichts des gelb leuchtenden Blendrahmens um beide Türen herum, des roten Namenschriftzugs der Vital-Apotheke über den Türen und den in den Fußboden eingelassenen Fußmatten mit dem Namen der Apotheke könne dem Kunden nicht verborgen bleiben, dass er nun eine Apotheke betrete, so die Richter. Die grauen Antennen des elektronischen Warensicherungssystems neben den Türen verstärkten diesen Eindruck, da diese Kunden aus Kaufhäusern bekannt seien.
Das VG hat Berufung zugelassen. Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) muss aber noch darüber befinden, ob es die Sache zur Berufung annimmt. Das ist laut einer Sprecherin noch nicht entschieden. Erst danach könnte die Aufsichtsbehörde weiter streiten, ansonsten wird das Urteil rechtskräftig.
Bis zu einer endgültigen Entscheidung bleiben die Türen der Vital-Apotheke geöffnet. Angesichts des regen Kundenverkehrs ist das aus Sicht des Inhabers auch die einzig logische Einstellung. Das ständige Öffnen und Schließen der Türen würde ansonsten die Beratung drinnen eher stören.
Der Ausgang des Verfahrens dürfte richtungsweisend für vergleichbare Fälle sein. Bereits 2011 lag ein Fall beim dem OVG Münster. Als dies in der Verhandlung durchblicken ließ, dass es zu Gunsten des Apothekers entscheiden würde, widerrief der Kreis Mettmann seine Anweisung. Die Apotheke im Center durfte ihre Türen geöffnet halten.
Da das VG Düsseldorf in erster Instanz 2008 noch anders entschieden hatte, ersparte sich die Aufsichtsbehörde eine anders lautende Grundsatzentscheidung. Diese könnte nun im aktuellen Streit um die Vital-Apotheke fallen. Denn Rückzieher nützt der Behörde nach dem Urteil des VG Minden in diesem Fall nicht. 2012 entschied das OVG Mecklenburg-Vorpommern in einem Streit um eine Apotheke in Schwerin gegen die Inhaberin.
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