Erste „Großhandelsapotheke“ genehmigt Julia Pradel, 03.05.2016 15:09 Uhr
Apotheker Frank Hallier kann künftig Arzneimittel an Kollegen verkaufen. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales hat ihm erlaubt, einen Großhandel zu führen. Dieser Entscheidung waren längere Debatten vorausgegangen. Denn Hallier ist der erste Apotheker in Mecklenburg-Vorpommern, der den Großhandel am selben Standort wie seine Apotheke betreibt.
Das Problem ist die räumliche Abtrennung von Apotheke und Großhandel. Die seit 2013 geltende Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sieht vor, dass die Betriebsräume einer Apotheke von „anderweitig gewerblich oder beruflich genutzten Räumen“ abgetrennt sein müssen. Die Vorgabe an sich ist nicht neu, erstmals wird aber der apothekeneigene Großhandel als Beispiel genannt. Daraufhin entbrannte ein Streit um die Frage, ob eine räumliche Trennung ausreicht oder ob Apotheke und Großhandel getrennte Gewerbe sein müssen.
Die Aufsichtsbehörden in Hessen und Sachsen beispielsweise betrachteten die beiden Geschäftsbereiche aufgrund der räumlichen Trennung als unabhängige Tätigkeiten und forderten Apotheken auf, den Großhandel als eigenständiges Gewerbe anzumelden. „Beide von Ihnen betriebenen Gewerbe dürfen nicht unter dem gleichen Kaufmannsnamen firmieren“, schrieb das Regierungspräsidium Darmstadt 2013 an Apotheker mit Großhandelserlaubnis in Hessen. Die Trennung sollte bis Ende Mai 2014 vollzogen sein – da endeten die in der ApBetrO vorgesehenen Übergangsfristen.
In Mecklenburg-Vorpommern habe sich das Landesamt mit dieser Frage noch nicht befassen müssen, weil alle anderen Apotheker mit Großhandelserlaubnis im Land den Großhandel aus Nebengebäuden führten, sagt Hallier. Doch er habe den Großhandel am Standort seiner Zentral-Apotheke betreiben wollen. Nach einigem Hin und Her hat er nun die Erlaubnis dafür bekommen.
Bei der Antragstellung wurde Hallier vom 2015 gegründeten Bundesverband der Deutschen Großhandelsapotheker (BDGHA) unterstützt. Für Verbandsvorstand Frank Riemer ist das die Genehmigung ein Erfolg: „Das Landesamt für Gesundheit und Soziales hat im Dialog mit dem BDGHA seine Verwaltungspraxis geändert, um die Einzelapotheke zu stärken.“
In Rostock dagegen weist man zurück, den Fall anders gehandhabt zu haben als die bisherigen: „Für Apothekenbetriesbräume gilt eine strikte räumliche Trennung durch Wände oder Türen zu anderweitig gewerblich oder beruflich genutzten Räumen, die eine erlaubnispflichtige Großhandelstätigkeit ausdrücklich mit einschließt. Diese Grundsätze wurden bei der Erteilung von Großhandelserlaubnissen in Mecklenburg-Vorpommern immer eingehalten.“
„Eine Stärkung der Einzelapotheke ist und war nie kein Kriterium bei der Erteilung einer Großhandelserlaubnis, zumal eine Apotheke keine Großhandelserlaubnis bekommen kann“, heißt es aus Rostock mit Verweis auf die Tatsache, dass diese nur an natürliche oder juristische Personen oder Vereinigungen erteilt werden könne.
Hallier will sich mit dem Großhandel ein neues Tätigkeitsfeld erschließen. In Zeiten sinkender Margen müsse man sich spezialisieren, sagt er. Für manche Apotheken sei dies die Versorgung von Heimen oder die Herstellung von Zytostatika, für ihn der Großhandel. Hallier plant, mit insgesamt 15 Apotheken von Freunden und Familienmitgliedern eine Einkaufsgemeinschaft zu gründen.
Zur Frage der räumlichen Trennung herrschte in den Bundesländern von Anfang an Uneinigkeit über diese Interpretation der ApBetrO. Die Expertenfachgruppe „Großhandel/Arzneimittelvertrieb“ der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) befasste sich daher im November 2013 mit der Frage. Die Aufsichtsbehörden in Sachsen lenkten daraufhin ein: Dem Verwaltungsrechtler Lothar Hermes aus Dresden teilte die Landesdirektion mit, kein separates Gewerbe für den Apothekengroßhandel zu fordern.
Das Regierungspräsidium in Darmstadt blieb allerdings hart: „Die hessische Arzneimittelüberwachungsbehörde sieht und behandelt den Apotheker als Betreiber zweier Gewerbe, wenn er außer seiner Apotheke auch einen Großhandel mit Arzneimitteln betreibt“, sagte eine Sprecherin Anfang 2014. Wenige Tage vor Ende der in der ApBetrO festgelegten Übergangsfristen wurden die Apotheker erneut darauf hingewiesen, Großhandel und Apothekenbetrieb nicht nur räumlich, sondern auch rechtlich zu trennen.
Eine Apotheke wehrte sich. Seit Juli 2014 liegt der Fall beim Verwaltungsgericht Wiesbaden. Das muss nun die Frage klären, welche Anforderungen eine Behörde an einen Apotheker stellen kann, der zugleich einen Großhandel betreibt.
Schätzungen zufolge verfügte bisher jeder zehnte Apotheker über eine Großhandelserlaubnis. Im Zuge der Debatte haben allerdings viele Apotheker ihre Erlaubnis zurückgegeben. Die eigene Großhandelserlaubnis ist ohnehin nicht mehr so lukrativ wie vor einigen Jahren: Die Konditionen sind schlechter als zuvor, und die Großhändler führen Sperrlisten und kaufen bestimmte Produkte nur noch direkt vom Hersteller.
Apotheken, die Arzneimittel an Ärzte, Tierärzte und Krankenhäuser oder im Rahmen von Einkaufsgemeinschaften oder Filialverbünden an Kollegen weiterverkaufen, sind von der Neuregelung ohnehin nicht betroffen – sie brauchen für diese Tätigkeit keine Großhandelserlaubnis. Dasselbe gilt für die schnelle Aushilfe zwischendurch.