Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) von Engpässen bei Grippeimpfstoffen nichts wissen will, spielen sich in Apotheke und Arztpraxen unschöne Szenen ab. Cordula Eichhorn, Rathaus-Apotheke in Eppstein im Taunus, schickt regelmäßig kurze Nachrichten an Spahn. Diesmal machte sie ihrem Ärger über dessen Aussagen zur Verfügbarkeit der Impfstoffe Luft.
So ziemlich jeden Tag schickt Eichhorn eine kurze Nachricht an Spahn, mal eine kurze Nachfrage zum Rx-Versandverbot, mal ein Vierzeiler zur Bonpflicht oder ein Hinweis auf die katastrophalen Folgen der AvP-Pleite. Wenn ihr etwas nicht passt, könne sie renitent sein wie ein Pitbull, wie sie augenzwinkernd sagt. Immerhin kümmerten sich die Apothekenteams – meist weiblich und in Teilzeit – nicht nur die Versorgung, sondern oft auch noch die Familie. „Wir werden ja zu Zicken gemacht.“
Mit Antworten auf ihre Mails rechnet sie schon lange nicht mehr – dass sie irgendwann in die Whatsapp-Gruppe von Team Spahn aufgenommen wurde, zeige immerhin, dass ihre Nachrichten irgendwo ankommen.
Jetzt hat sie doch einmal überraschend eine Antwort bekommen. „Liebes Team Spahn, was ist los bei Euch? Merkt Ihr wirklich nicht, was in der realen Welt so los ist?“, hatte sie vor zwei Wochen per Mail angefragt. „Es gibt flächendeckend keine Grippe-Impfstoffe und wenn Jens die Bevölkerung aufruft, sich impfen zu lassen , dann aber nicht geimpft werden kann, schafft dies Frustration und Angst!“
Ihr Appell: „Bitte hört damit auf! Jens soll endlich vernünftig werden und den Menschen sagen, dass ein Engpass besteht, aber bei Einhalten der AHA-Regeln alle ausreichend geschützt sind. Gern lade ich Euch ein, uns hier an der Basis zu besuchen, da Ihr scheinbar den Kontakt zu uns verloren habt!“
Heute kam die Antwort, und zwar aus dem Referat Bürgerkommunikation des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Es folgen fünf Absätze mit Ausführungen über das Coronavirus und die jährliche Influenza, die besondere Situation von Risikogruppen und den Sinn und Zweck der Grippeschutzimpfung – auch noch im Dezember.
„Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, die sich leider nicht auf den Inhalt unserer E-Mail bezieht“, antwortete Eichhorn postwendend. Als Apothekerin kenne sie sich hinlänglich zum Thema Grippeimpfung aus. „Wir beraten die Risikogruppen entsprechend und sind DIE Fachleute für Arzneimittel, zu denen Grippeimpfungen gehören. Wir kennen Wirkungsweise, Dosierung, Nebenwirkungen und Interaktionen aus dem FF.“
„Das Problem, welches wir angesprochen haben und auf das Sie leider nicht eingehen sind ist, dass Jens die Bevölkerung zur Impfung aufruft, was wir grundsätzlich begrüßen – nur eben nicht, wenn KEINE Impfstoffe verfügbar sind! Dann denken die Menschen nämlich , dass wir sie nicht beliefern wollen.“
Eichhorn hatte wie die meisten Kollegen im Frühjahr Grippeimpfstoff bestellt – und die Ärzte sogar noch ermuntert, angesichts der erwarteten Nachfrage mehr als gewöhnlich zu ordern. Ein Teil sei ausgeliefert worden, seitdem sei aber nichts mehr gekommen. Einzeldosen habe sie überhaupt noch keine bekommen, was ihre hitzige Diskussionen mit verärgerten Privatversicherten eingebracht habe.
Als sie dann auch noch vom Verband ein Poster erhielt, mit denen sie im Schaufenster für die Grippeimpfung werben sollte, riss ihr endgültig der Geduldsfaden. Sie sei ein Einzelfall, habe man ihr am Telefon erklärt – wohl auch, weil sie nicht zentral über die Geschäftsstelle bestellt habe. „Ich weiß es aber besser: Ich habe noch einmal 150 Einheiten erhalten – Kollegen vom Verband nichts mehr."
Mehr als eine Stunde lang habe sie neulich im Notdienst mit Verbandschef Holger Seyfarth telefoniert, zahlreiche Delegierte hat sie angerufen oder angeschrieben: „Keiner hat mehr was. Das ist schlimmer als in DDR“, sagt sie, die selbst mit ihren Eltern vor vielen Jahren in den Westen ausgereist war.
Und nun also diese „völlig sinnfreie“ Antwort aus dem BMG. Eichhorn konnte sich nicht verkneifen, auf die DocMorris-Masken auf den Gesichtern der CDU-Spitze hinzuweisen. So langsam entwickle sich bei ihr die Idee, dass „die inhabergeführte Apotheke nicht nur geschwächt, sondern bewusst politisch abgeschafft werden soll“, so ihre Replik. „Um es ganz einfach zu sagen: Nicht einmal die dümmste Kuh geht freiwillig zu Ihrem Schlachter – entsprechend werden wir kleinen Apothekenkälbchen unsere Wahlentscheidung treffen.“
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