„Apotheken werden sich verändern“ Cynthia Möthrath, 23.01.2020 07:50 Uhr
Seit Jahresbeginn steht Dagmar Fischer an der Spitze der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Für die vierjährige Amtszeit hat sich die Jenaer Forscherin viel vorgenommen: Vor allem die Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis sei ein wichtiger Aspekt. Denn für die Forscherin ist klar: Die Apothekenlandschaft steht vor einem Umbruch.
„Ich glaube schon, dass die Apotheken in Zukunft bleiben werden, aber das Bild wird sich maßgeblich verändern“, meint Fischer. Irgendwann werde das E-Rezept zum Alltag gehören, auch die modernen Techniken würden Einzug halten – so könnte beispielsweise der Einsatz von 3D-Druckern eine Rolle spielen. „Vermutlich werden in Zukunft die Arzneimittel anders hergestellt werden.“ Es werde sich viel tun: „Ich glaube, wir stoßen in den nächsten vier Jahren in interessante Zeiten vor“, meint Fischer.
„Ich bewundere alle, die in den Apotheken vor Ort mit den Patienten arbeiten“, erklärt die Forscherin. Pharmazie sei ein toller und vor allem vielseitiger Bereich. Sie stelle jedoch oft fest, dass viele Approbierte nach einem Jahr in der öffentlichen Apotheke in andere Tätigkeitsfelder wechselten. „Das ist für die Apotheken vor Ort natürlich traurig“, sagt sie. Doch Fischer sieht auch Hoffnung – denn es werden wahrscheinlich neue Tätigkeitsfelder hinzukommen. So könnte auch das Thema Impfungen in der Apotheke schon bald eine Rolle spielen: „Ich habe das in den USA bereits in strukturschwachen Gegenden als Standard kennengelernt“, erklärt Fischer. „Wenn sich das Bild der Apotheke verändert, wird sie als Arbeitsbereich hoffentlich wieder attraktiver werden.“
Auch die Hochschulpharmazie muss laut Fischer inhaltlich dringend modernisiert und „kräftig entrümpelt“ werden. Hier sieht Fischer die DPhG in der Pflicht. Auch für die Mitarbeiter in den Apotheken würde Fischer gerne Fortbildungsangebote wie Webinare anbieten: „Der Nachwuchs benutzt einen ganz anderen Kommunikationsweg“, erklärt sie zum Schwerpunkt Digitalisierung. Daher sollen in Zukunft die Social-Media-Kanäle der DPhG vermehrt genutzt und ausgebaut werden. „Die Öffentlichkeit soll mehr sehen, was wir machen und wofür wir uns einsetzen.“
Die DPhG habe im Vergleich zu anderen Institutionen ein bedeutendes Alleinstellungsmerkmal: „Wir sind multidisziplinär – bei uns werden viele Bereiche, Fächer und Berufsbilder vereint“, erklärt Fischer. Wichtig sei daher, eine Verknüpfung zwischen diesen Bereichen zu schaffen. „Wir wollen die klinische Pharmazie und die Apothekenpraxis wieder verstärkt mit der Grundlagenwissenschaft zusammenbringen.“
Zu den besonders aktuellen Themen der DPhG gehören die anhaltenden Lieferengpässe und Verunreinigungen von Arzneimitteln. „Ich denke, das wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen“, meint die Forscherin. Bereits 2018 hatte die DPhG einen runden Tisch gefordert, an dem sich Behörden, Krankenkassen, Pharmaindustrie und Politik zusammensetzen sollten. „Der ist jedoch leider nie zustande gekommen“, bedauert sie. Der Grund sei zu wenig Beteiligung der einzelnen Gruppen gewesen. „Wir bleiben jedoch dran.“ Schließlich müssten für das Thema alle Disziplinen an einen Tisch. Gemeinsam müssten europäische Regelungen getroffen werden, um die Versorgung mit Arzneimitteln weiter zu gewährleisten. „Es müssen kurz-, mittel- und langfristige Strategien entwickelt werden“, findet Fischer. Die DPhG versuche daher von der wissenschaftlichen Seite aus als Treiber zu fungieren.
In den Kernpunkten sei man sich bei der DPhG einig: Neben pharmazeutischer Qualität, Digitalisierung, Kommunikation sowie personalisierten Therapien und Diagnosemöglichkeiten spiele vor allem die evidenzbasierte Pharmazie eine wichtige Rolle. „Von der Ausbildung bis hin zur Praxis müssen neue Tools und Konzepte umgesetzt werden.“ Und auch die Größe der DPhG soll sich von aktuell gut 10.000 Mitgliedern noch erweitern: „Da geht noch mehr“, meint Fischer.
Mit der neuen Wahl wurde nicht nur der bisherige Präsident Professor Dr. Stefan Laufer abgelöst, der seit Anfang 2016 das Amt innehatte. „Der gesamte Vorstand wurde fast vollständig ausgetauscht“, erklärt Fischer. „Damit kommen natürlich auch viele neue Ideen rein.“ Die Ziele für die kommenden vier Jahre seien damit erweitert worden. Das bisherige DPhG-Projekt „Pharmazie 2020“ wurde daher aktualisiert und zum Konzept „Pharmazie 2030 – Perspektiven für Forschung und Lehre“ weiterentwickelt. „Einer der Schwerpunkte wird der Spagat zwischen der wissenschaftlichen Pharmazie und der pharmazeutischen Praxis sein“, erläutert Fischer.
Fischer ist Professorin für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Pharmazeuten seien im Forschungsbereich immer sehr willkommen und die Chancen für Apotheker daher sehr gut. Die Forschung habe jedoch ebenfalls mit einem in Apotheken vorherrschenden Problem zu tun: „Auch wir haben Nachwuchsmangel“, erklärt Fischer. „Ich kann nur jeden Interessierten ermutigen, es zu versuchen“, sagt Fischer.
Aktuelle Forschungsprojekte lägen vor allem im Bereich der pharmazeutischen Qualität: Das Finden von Fälschungen und Verunreinigungen spiele ebenso eine Rolle wie innovative Herstellungstechniken und deren Umsetzung in der pharmazeutischen Industrie und der Apotheke. Screening-Technologien, Digitalisierung und personalisierte, innovative Gen- und Zelltherapien seien ebenfalls ein wichtiger Baustein.