Während die Zahl der Schweinegrippe-Erkrankten deutschlandweit bereits auf mehr als 17.000 angestiegen ist, gerät der Nachschub an antiviralen Medikamenten mittlerweile offenbar ins Stocken: Bereits seit vier Wochen kann der schweizerische Pharmakonzern Roche das Tamiflu-Pulver zur Herstellung einer Suspension nicht liefern. Das Fertigarzneimittel wird häufig bei Kindern eingesetzt, aber auch bei Erwachsenen, die Kapseln nicht schlucken können. Die Apotheker wollen nun durch die Herstellung von Rezepturen die Lücken des Lieferengpasses schließen.
„Momentan konzentrieren wir unsere Aktivitäten auf die Herstellung der Kapseln“, sagte ein Roche-Sprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC. Als Gründe nannte er die längere Haltbarkeit sowie die weniger aufwendige Herstellung der Kapseln. Wann das Pulver wieder lieferbar sein wird, ist derzeit noch nicht klar: Es sei „noch in diesem Jahr“, nicht allerdings vor November, damit zu rechnen, so der Sprecher.
Bis dahin sollen sich die Patienten offenbar selbst helfen. Laut Sprecher können die Kapseln geöffnet werden. Für Kinder - bei denen je nach Körpergewicht 30 bis 60 Milligramm Oseltamivir indiziert sind - könne der Kapselinhalt dann entsprechend verdünnt werden.
Die Gebrauchsinformation der Tamiflu-Kapseln weist aus, was zu tun ist, „wenn eine orale Suspension von Tamiflu nicht verfügbar ist“: Demnach soll der Inhalt einer 75 Milligramm-Kapsel in eine Schale entleert werden. Anschließend sollen 5 Milliliter Wasser dazugegeben werden. Je nach Dosierung soll der Anwender zwei, drei oder vier Milligramm mit einer Spritze aufziehen und diese Dosis dem Kind nach der Mischung mit einem gesüßtem Lebensmittel verabreichen.
Kinderärzte bezweifeln indes, dass alle Eltern diese komplexe Anweisung befolgen können. „Die eigene Herstellung der Dosis kann man von keiner Mutter verlangen“, sagte Professor Dr. Reinhard Berner, Leitender Oberarzt des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Freiburg gegenüber APOTHEKE ADHOC. Die Anfertigung von Rezepturen sieht der Kinderarzt als sicherere Alternative: „Die Herstellung gehört in die Apotheke“, so Berner.
Die Rezepturherstellung aus Oseltamivir-Reinsubstanz ist derzeit allerdings nicht möglich, da sie erst im Pandemiefall von den Ländern zur Verfügung gestellt wird. Doch es gibt eine alternative Lösung: Die Redaktion des Neuen Rezeptur-Formulariums (NRF) hat die Rezepturhinweise zu Oseltamivirphosphat inzwischen aktualisiert. Empfohlen wird die Herstellung einer Lösung mit einer Konzentration von 15 Milligramm pro Milliliter aus den Hartkapseln oder deren Inhalt. Die Zubereitung kann in Einmalspritzen oder in eine Pipettenflasche abgefüllt werden.
„Die Apotheker schließen die Versorgungslücke“, sagte eine Sprecherin der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände gegenüber APOTHEKE ADHOC. Durch die neue Herstellungsvorschrift könnten Oseltamivir-Rezepturen für Kinder nun qualitätsgesichert hergestellt werden. Die Kinderärzte seien durch die ärztliche Fachpresse bereits über die Möglichkeit, eine individuelle Rezeptur zu verordnen, informiert worden.
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