Apotheken sollen Rezepturen zeitnah und in einer hohen Qualität anfertigen. So wollen es die Kammern – und auch die Kunden. Am Freitagmittag forderte eine Mutter in der Residenz Apotheke in Potsdam Nitrofurantoin-Pulver ohne Rezept. Inhaber Jens Wiesenhütter setzte alle Hebel in Bewegung, um das Antibiotikum für den Sohn der Frau innerhalb eines Tages herzustellen. „Das sollen uns die Versandapotheken einmal nachmachen“, sagt er.
Wiesenhütter hat in seinen Apotheken regelmäßig Rezepturen, die beispielsweise von der naheliegenden Hautarztpraxis kommen. Die Nitrofurantoin-Rezeptur fiel jedoch aus der Reihe. Die Herstellung sei sehr aufwendig und dauere einige Stunden. Zudem hatte er die Substanz nicht vor Ort und es gab Verwirrung um das Rezept: „Die Frau sagte, der Kinderarzt hätte das Rezept bereits Tage zuvor zu uns geschickt“, so der Apotheker. Doch in der Offizin kam nichts an. Wiesenhütter fragte in der Praxis nach und ließ sich die Verordnung faxen.
Der Pharmazeut gab der Mutter telefonisch zu verstehen, dass er das Antibiotikum zur Behandlung von Harnwegsinfektionen nicht vor Montag fertig hätte. Die Apotheke sei schwach besetzt, zudem werde der Großhändler die nötigen Tabletten erst am späten Nachmittag liefern. Die zeitaufwendige Rezeptur werde zudem nicht einmal eben im Unguator angerührt. Er müsse dafür extra Personal einplanen. „Doch sie sagte, sie brauche es sofort, da ihr Sohn nur noch bis Samstag versorgt sei.“
Die Mutter ließ sich nicht auf Montag vertrösten. Bereits im August habe sie mehrere Apotheken kontaktiert und sei vielerorts weggeschickt worden, so der Apotheker. Hätte er auf die Lieferung der Tabletten durch den Großhändler gewartet, wären nochmals drei Stunden vergangen. Wiesenhütter schickte letztlich eine Mitarbeiterin zur rund zehn Kilometer entfernten Sanacorp-Niederlassung. Sie holte die Tabletten direkt ab und war nach etwa einer Stunde wieder zurück – Stau inklusive.
Der Apotheker rief unterdessen bei der Apothekerkammer an, schilderte seine Situation und fragte, wie er sich am besten Verhalten sollte. „Ich finde, wir nehmen die Berufsorganisationen viel zu wenig ins Boot.“ Bei der Standesvertretung hieß es lediglich, dass er die Rezeptur nicht ablehnen dürfe und mit dem Fax rechtlich auf der sicheren Seite sei.
Insgesamt war die PTA am Freitagnachmittag rund zwei Stunden mit der Rezeptur beschäftigt. „Aus kaufmännischer Sicht macht das für mich überhaupt keinen Sinn“, sagt er. „Jeder andere Unternehmer würde sagen: ‚Bist du blöd!‘“ Wiesenhütter ärgert sich vor allem, dass von Vor-Ort-Apotheken selbstverständlich erwartet werde, sofort zur Stelle zu sein. „Die Versandapotheken sollten es uns gleichtun und nicht nur auf Rosinenpickerei setzen.“
Auf Verständnis stieß der Apotheker bei der Kundin seinen Angaben zufolge trotz des Entgegenkommens nicht. „Sie sagte nur: ‚Ich kann nichts dafür‘“, sagt Wiesenhütter. Die Situation sei nicht gerecht. „Wir Apotheken bügeln täglich Fehler von Dritten aus.“ Der Pharmazeut ist letztlich froh, dass er der Frau so kurzfristig helfen konnte. „Das ist der Vorteil von Vor-Ort-Apotheken. Versandapotheken können das nicht leisten.“
Nitrofurantoin wird selten zur Herstellung von Rezepturarzneimitteln genutzt, da auf dem Markt verschiedene Fertigarzneimittel vorhanden sind. Trotzdem wird es ab und zu als Rezepturwirkstoff verordnet, weil es etwa für Neugeborene mit Harnwegsinfekt bisher noch kein Flüssigpräparat gibt. Die Herstellung birgt jedoch verschiedene Herausforderungen. Nitrofurantoin steht sowohl als fein gepulverte Substanz, als auch als mikrokristallines Pulver zur Verfügung. Je nachdem, welches der Herstellende benutzt, muss er es vor der Weiterverarbeitung in einem Mörser verreiben. Dieser Wirkstoff ist nicht wasserlöslich, daher muss eine Suspension hergestellt werden. Bisher gibt es keine NRF-Vorschriften, an die sich die herstellende Person halten könnte, nur im „Formularium der Nederlandse Apothekers“ kann man fündig werden.
Möchte man den Wirkstoff Nitrofurantoin als Pulver-Rezeptur herstellen und abgeben, so stellt sich die Frage, ob der Patient eine Einzeldosis exakt abmessen kann. Daher sollte sowohl das Volumen des verwendeten Füllstoffes oder der Pulvergrundlage, als auch die benötigte Wirkstoffmenge in der Einzelgabe bekannt sein, um einen passenden Dosierlöffel auszuwählen.
Die Herstellung eines nicht abgeteilten Pulvers unterscheidet sich kaum in der Vorbereitung zu einem Pulver, das in Kapseln oder Briefchen aufgeteilt werden soll. Wichtig ist grundsätzlich, dass sich die Teilchengrößen von Wirk- und Füllstoff so wenig wie möglich unterscheiden. Eine möglichst einheitliche Korngröße beugt einer Entmischung der verschiedenen Komponenten vor. Bei Nitrofurantoin kann es daher nötig sein, dass es vor der Weiterverarbeitung in einer Reibschale deren Poren verschlossen wurden fein gepulvert wird. Je höher die Teilchengröße und je niedriger die verordnete Wirkstoffmenge ist, desto schlechter wird das Mischungsergebnis sein.
Gemischt wird ähnlich wie bei der Herstellung halbfester Zubereitungen in einer glatten Fantaschale mittels Sandwichmethode. Etwas Füllstoff wird vorgelegt und mit dem fein verriebenen Nitrofurantoin-Pulver gemischt. In Anteilen wird der weitere errechnete Füllstoff untergemischt, bis er komplett verarbeitet wurde. Für den Mischvorgang verwendet man vor allem Kartenblätter, an denen deutlich weniger Wirkstoffgemisch haften bleibt, und die auch das Pulver nicht zu Agglomeraten zusammen presst wie ein Pistill.
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