Retaxationen

Reimporte: Billiger kann teuer werden

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Berlin -

Reimporte haben eine einzige Existenzberechtigung: Sie sind preiswerter

als die Originalpräparate. Doch in den vergangenen Monaten hat die

Barmer GEK rund 3000 Apotheken retaxiert, weil sie – bezogen auf den

Nettopreis – unwirtschaftliche Importe abgegeben hatten. Weil einige

Firmen diese Differenz angeblich als Geschäftsmodell entdeckt haben,

könnte es für die Apotheken teuer werden. Denn die Kassen schließen

weitere Retaxationen nicht aus. In der Branche ist von zweistelligen

Millionenbeträgen die Rede, die insgesamt im Raum stehen könnten.

Bezogen auf den Listenpreis müssen Reimporte immer preiswerter sein als das Original – sonst sind sie unwirtschaftlich und dürfen gar nicht abgegeben werden. Um auf die Importquote angerechnet zu werden, muss der Abstand sogar 15 Prozent oder 15 Euro betragen. Doch seit mit dem GKV-Änderungsgesetz der Herstellerrabatt erhöht und ein Preismoratorium eingeführt wurde, ist diese Welt deutlicher komplexer geworden: Senkt ein Hersteller seinen Preis, kann die Differenz nämlich auf den Abschlag angerechnet werden.

Seitdem führen beispielsweise Generikafirmen ihre Präparate zu „Mondpreisen“ ein, die sie sofort absenken. Auf Reimporte lässt sich diese Strategie nicht ohne Weiteres übertragen, denn sie müssen sich immer am Originalpreis messen lassen: Schafft sich ein Anbieter mit diesem Spiel den Abschlag vom Hals, ist er unter dem Strich schnell teurer als das Referenzprodukt.

In den Apotheken fallen solche Differenzen in der Regel nicht auf, denn die Kassensysteme arbeiten standardmäßig mit dem Listenpreis. Nur über die Taxe lässt sich mit vielen Klicks und Taschenrechner der reale Nettopreis herausfinden – im Handverkauf ist ein solcher Abgleich in der Regel viel zu aufwändig.

Für die Reimporteure ist die Situation brisant. Denn oft genug passiert es, dass bei Preisänderungen der Import kurzzeitig teurer ist als das Original. Auch die nach der Nutzenbewertung verhandelten Preise sind oft so lange geheim, bis sie in der Software stehen und somit berücksichtigt werden können. Mitbewerber, bei denen die sogenannte Preisschaukel zur Geschäftsstrategie gehört, bringen daher die gesamte Branche in Misskredit.

Schon vor zwei Jahren flogen unter den Reimporteuren die Fetzen: Branchenprimus Kohlpharma warf CC Pharma vor, zahlreiche Präparate anzubieten, die teurer seien als das jeweilige Bezugsarzneimittel. Dass Apotheken retaxiert werden könnten, nehme das Unternehmen bewusst in Kauf, hieß es damals aus Merzig.

CC Pharma rechtfertigte sich damit, zufälligerweise zu dem für das Preismoratorium maßgeblichen Stichtag im August 2009 in der Software vom Apothekeneinkaufs- auf den Herstellerabgabepreis umgestellt zu haben. Dies sei „fälschlicherweise“ als Preissenkung interpretiert worden. Das Unternehmen versprach, Retaxationen zu übernehmen, und gab zu Protokoll, dass es nach Korrekturen in der Software „praktisch keine Präparate“ mehr gebe, die netto teurer seien als die Bezugsarzneimittel.

Doch in der Lauertaxe finden sich nach wie vor zahlreiche unwirtschaftliche Reimporte. Afinitor (Everolimus) etwa ist in der Dosierung zu 10 mg und der Abpackung mit 30 Stück unter dem Strich im Original rund 400 Euro günstiger als der Import von CC Pharma. In der Branche kursiert eine Liste mit rund 200 Präparaten des Unternehmens, die allesamt nach Abzug der Abschläge teurer sind als das Original. Dazu kommen rund 75 PZN von Milinda.

Die Barmer hat nach eigenen Angaben Arzneimittel von rund zehn Firmen retaxiert. Darunter ist das Krebsmedikament Glivec (Imatinib), das in der Wirkstärke von 400mg als N3-Packung von Axicorp netto rund 9500 Euro kostet und als Original von Novartis knapp 8700 Euro. „Bei derartigen Preisabständen ist selbstverständlich mit Retaxationen zu rechnen, was auch dem DAV kommuniziert wurde“, so die Barmer. „Ob und inwieweit andere Kassen diesen Weg gehen, ist uns nicht bekannt.“

CC Pharma verspricht den Apotheken, sich nach Einsendung des Retaxationsbelegs sofort um jeden einzelnen Fall zu kümmern. Retaxationen aufgrund von Herstellerrabatts-Kalkulationen dürften sich niemals negativ auf Apotheker auswirken, so Geschäftsführer Ralf Kurenbach. Man habe bereits Retaxationen im dreistelligen Bereich ausgeglichen.

Den Vorwurf, unwirtschaftliche Importe gehörten zur Geschäftsstrategie, weist Kurenbach aber zurück: „Eine solche Praxis hat die CC Pharma in der Vergangenheit nicht verfolgt und wird es künftig nicht tun.“ Vielmehr seien viele führende Reimporteure betroffen: „Da Senkungen des Herstellerabgabepreises zunächst mit dem Hersteller-Rabatt nach §130a verrechnet werden, ist dies nicht ohne Weiteres durch eine einfache Preissenkung zu korrigieren.“

Bei den Mitbewerbern lässt man diese Ausrede nicht gelten: Im Zweifelsfall müsse der Preis eben soweit abgesenkt werden, dass die 16 Prozent ausgereizt seien und der Nettopreis tatsächlich sinke. Bei Afinitor machte CC Pharma Anfang August eine Preisänderung mit – um 20 Cent nach oben statt um 400 Euro nach unten.

Das Risiko ist für die Reimporteure erst einmal überschaubar – selbst wenn sie den Apotheken den Schaden ersetzen. Weil es keine Verpflichtung für die Abgabe eines Reimports im Einzelfall gibt, hat die Barmer „nur“ auf das Original retaxiert. So gesehen haben die Hersteller nicht nur den Umsatz, sondern auch ein besseres Geschäft als Mitbewerber gemacht, die den Preisabstand einhalten.

Was bleibt, ist der Imageschaden – und Verunsicherung bei den Apothekern. Einziger Trost: Sollten das Spargesetz zum Jahresende wie geplant auslaufen, fällt das Risiko weg. Dann können Importe wieder günstig sein – brutto wie netto.

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