Doppelaufträge bei Lieferengpässen

„Apotheken müssen ihr Bestellverhalten überdenken“

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Berlin -

Lieferengpässe wie aktuell bei Fiebersäften sorgen für Frust bei den Apothekenteams: Täglich wird im Defektetopf die Bestellung aufs Neue ausgelöst, parallel versucht man, Ware beim Hersteller zu ergattern. Das kann schnell zu einem Teufelskreis führen, wie eine Mitarbeiterin aus der Kundenbetreuung eines großen Pharmakonzerns berichtet. Werden Bestellungen storniert, muss die retournierte Ware zumindest in ihrem Unternehmen vernichtet werden. Sie will die Apothekenteams sensibilisieren.

Der Apothekenalltag ist von Lieferengpässen geprägt. Umso schöner ist es, wenn die Ware plötzlich lieferbar ist. Schnell wird auf den Knopf gedrückt und bestellt – am besten gleich etwas mehr, wer weiß wie lange die Anzeige noch grün ist. Blöd nur, wenn die Kollegin auch schon bestellt hat, plötzlich mehrere Lieferanten doch wieder Ware haben oder wenn das betroffene Arzneimittel nach einem Blick in die Abverkaufstatistik doch nicht so häufig benötigt wird. Na ja – stornieren wir die Bestellung halt einfach wieder – ein Anruf und ein paar Klicks später ist der Auftrag für die Apotheken vergessen.

Stornierte Ware wird vernichtet

Doch für die Unternehmen startet hier ein großes Problem, wie eine Mitarbeiterin aus der Kundenbetreuung berichtet. Um ihre Identität zu schützen, will sie anonym bleiben. Denn was viele Apothekenteams nicht wissen: Die stornierte Ware muss, wenn sie einmal das Unternehmen verlassen hat, zumindest in ihrem Konzern vernichtet werden.

„Das ist teilweise wirklich haarsträubend“, meint die Mitarbeiterin. „Plötzlich werden da große Aufträge storniert und große Mengen an Medikamenten müssen vernichtet werden.“ Sie verurteilt die Apotheken nicht – möchte sie aber für ihr Bestellverhalten sensibilisieren. „Ich bekomme immer wieder mit, dass vielen gar nicht bewusst ist, was mit der zurückgeschickten Ware passiert.“

Die meisten würden davon ausgehen, dass die Ware anderweitig an Apotheken verteilt wird. „Dem ist aber nicht so“, erklärt die Mitarbeiterin. Viele Apothekenteams seien entsetzt, wenn sie von der Vernichtung hörten. „Vor allem ist es nicht einfach das alles zu vernichten – es gibt Prozesse und Dokumentationspflichten. Mal ganz abgesehen vom Umweltaspekt.“

Rein rechtlich könnten Arzneimittel, die die Lieferkette noch nicht verlassen haben, von den Herstellern genauso wie vom Großhandel zurückgenommen werden. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 4a Arzneimittelhandelsverordnung (AM-HandelsV). Allerdings sind in § 7b viele Auflagen vorgesehen, die vor dem erneuten Inverkehrbringen zu beachten sind. So muss die Ware vor der Entscheidung über die weitere Verwendung einer gründlichen Prüfung unterzogen werden – bis hin zur Bestätigung der Apotheke, dass sie stets ordnungsgemäß gelagert wurden und den Verantwortungsbereich nicht verlassen haben.

Für manche Hersteller ist das zu aufwendig; gerade in großen Konzernen will man zudem kein Risiko eingehen, das zu einem Imageschaden führen könnte. Mittelständler dagegen nehmen den Aufwand häufiger auf sich, genauso wie der Großhandel. Öffentlich äußern dazu will sich aber niemand – die eine Seite weiß, dass ihr Handeln nicht nachhaltig ist, die andere Seite will nicht offensiv damit in Erscheinung treten, dass sie Rücksender wieder in Verkehr bringt.

Teams sollen sensibilisiert werden

Bei ihrem täglichen Kontakt zu den Apotheken versucht die Kundenbetreuerin des großen Konzerns daher, die Mitarbeiter:innen in den Apotheken auf die Problematik aufmerksam zu machen. „Wenn jemand anruft und einen Stornobeleg haben möchte, versuche ich ins Gespräch zu kommen und nach den Gründen zu fragen.“ Wenn sie dann erkläre, dass die Ware vernichtet werden muss, würden viele doch noch einlenken. „Zumal ich häufig sehe, dass die stornierte Ware ein paar Wochen später dann doch wieder benötigt und bestellt wird.“

Bei ausreichend langem Verfall versucht sie an die Apotheken zu appellieren: „Wenn es keine total seltenen Medikamente sind, kann man sie ja so lange an Lager legen, statt die Bestellung zu stornieren“, findet sie. Im Zweifelsfalle könne bei einem Überschreiten des Verfalldatums noch immer ohne Verluste retourniert werden. „Die Liefersituation ist schon schwierig genug – solche Probleme sind einfach unnötig.“

Bei der Kommunikation mit den Teams bekomme sie immer wieder mit, dass der Druck durch Ärzt:innen auf Apotheken groß sei. Hinzu komme natürlich der Frust der Kund:innen, welche PTA & Co. zu spüren bekämen. „Der wird dann natürlich auch an uns weitergegeben – obwohl wir genauso wenig dafürkönnen.“ Sie wünscht sich, dass die verschiedenen Player im Gesundheitswesen besser zusammenarbeiten und derartige Probleme besprechen. Denn das gegenseitige Verständnis sei wichtig – auch im Sinne der Patient:innen.

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