Apotheken müssen für Kassen bluten Patrick Hollstein, 21.05.2010 10:51 Uhr
Was tut man als Krankenkasse, wenn man nach einem Gerichtsbeschluss den Apotheken plötzlich Abschläge in Millionenhöhe nachzahlen muss? Ganz einfach: Man verrechnet sie erst einmal mit den eigenen Außenständen, die man gegenüber Dritten - hier: Pharmaherstellern - hat. Per Gesetz ist das möglich, denn die Apotheken sind Inkassostelle für die GKV. Und so heißt die Rechnung: 320 Millionen minus 250 Millionen = 70 Millionen.
Konkret geht es um nicht gezahlte Generikaabschläge: Weil einige Hersteller ihre Produkte falsch gekennzeichnet haben, sind den Kassen laut GKV-Spitzenverband rund 250 Millionen Euro Schaden entstanden. Gezahlt wurden offenbar Abschläge nicht für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel (10 Prozent), sondern für Originalpräparate (6 Prozent).
Bereits im vergangenen Jahr hatten die Kassen eine systematische Überprüfung der Herstellerangaben zur Befreiung vom Abschlag eingeleitet. Seitdem wurden bei rund 1500 Arzneimitteln unplausible Kennzeichnungen reklamiert. Von den rund 100 betroffenen Herstellern haben nur einige ihre Kennzeichnung umgestellt und rückwirkend den Generikaabschlag gewährt. Andere Firmen weigern sich laut GKV nach wie vor, die abschlagsbefreienden Kennzeichnungen abzuändern.
„Eine Verweigerung von einigen Arzneimittelherstellern, den gesetzlich zustehenden Generikaabschlag zu leisten, ist nicht hinnehmbar“, sagte jetzt GKV-Vize Johann-Magnus Freiherr von Stackelberg. „Jetzt sind wir gezwungen Zeichen zu setzen und empfehlen den Krankenkassen, die Apothekenrechnungen in diesen Fällen entsprechend zu kürzen.“
Was überraschend klingt, ist gesetzlich vorgeschrieben: Die Kassen ziehen den Abschlag direkt bei den Rechenzentren ab; die Apotheken können dann ihre Forderungen bei den Herstellern geltend machen. Eine Factoring-Gebühr gibt es dafür aber nicht.
„Wir haben lange genug versucht, die Probleme direkt mit den Pharmaherstellern zu lösen, damit die Apotheken nicht mit in die Auseinandersetzung hineingezogen werden. Aber leider weigern sich einige Hersteller hartnäckig, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen“, so von Stackelberg. „Wir bedauern ausdrücklich, dass Pharmahersteller ihr unverantwortliches Handeln auf dem Rücken der Apotheken austragen. Aber den Krankenkassen bleibt leider kein anderer Weg.“