Ökosünden in der Apotheke Franziska Gerhardt, 08.03.2014 07:52 Uhr
5,3 Milliarden Einweg-Tüten werden jährlich in Deutschland verbraucht. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung liegt laut Deutscher Umwelthilfe bei 25 Minuten. Auch in Apotheken gehen täglich unzählige Plastikbeutel über den HV-Tisch. Anbieter für Apotheken-Bedarf haben umweltfreundliche Alternativen im Angebot, doch vielfach werden die preiswerten Varianten bevorzugt.
Plastik oder Papier – Unterschiede gibt es einige. „Apotheker haben mit Papiertüten das Problem, dass diese schwerer und voluminöser sind als die Plastikbeutel. Natürlich spielen auch die Kosten eine Rolle, es gibt einen markanten Preisunterschied“, erklärt Wolfgang Letschert, Vertriebsleiter bei Wepa.
Papiertüten sind bei Wepa 50 bis 60 Prozent teurer als solche aus Kunststoff. Bei anderen Anbietern schwanken die Preise für Plastiktüten je nach Größe zwischen anderthalb und sechs Cent pro Stück. Für Papiertüten müssen Apotheker oft bis zu 20 Cent pro Beutel hinlegen.
Der Trend geht zwar in Richtung Papier, doch nach wie vor entscheiden die meisten Apotheker nach dem Preis. Letschert schätzt den derzeitigen Anteil von Papiertüten bei seinem Unternehmen auf 20 Prozent, 80 Prozent der verkauften Beutel seien nach wie vor aus Plastik. Auch die Gratis-Tüten der Hersteller sind meist aus Kunststoff.
Aus ökologischer Sicht sind Plastiktüten aus Apotheken doppelt problematisch: Wegen ihres kleinen Formats können sie nur schlecht wiederverwendet werden. EU-Umweltkommissar Janez Potocnik hatte im vergangenen November einen Entwurf für eine Richtlinie vorgestellt, nach der die EU-Staaten Steuern für Plastiktüten erheben oder diese ganz verbieten können.
Bei Wepa hat man sich bereits Gedanken gemacht. Seit einiger Zeit gibt es eine Serie von Tragetaschen mit dem „Blauen Engel“. Dieses Zertifikat wird für besonders umweltschonende Produkte vergeben. Die Taschen sind zu 70 Prozent aus recyceltem Kunststoff hergestellt, reißfest und blickdicht.
Bei der Firma Melsbach Wolf sind derzeit etwa ein Drittel der verkauften Tüten aus Papier, zwei Drittel aus Plastik. Viele Apotheker würden gerne wiederverwertbare Plastiktaschen an ihre Kunden abgeben, sagt Marketingchef Frank Stützel. „Wir sind dabei, ein solches Produkt zu entwickeln.“
Komplett auf eine ökologische Variante setzt „Lieber Natürlich“. Der Verbund, bei dem knapp 30 Apotheken sowie rund 40 Hersteller und Partnerunternehmen mitmachen, hat gerade das „Tütle“ auf den Markt gebracht. Das Papier ist ungebleicht, zu 100 Prozent recycelt, CO2-neutral hergestellt und vollständig kompostierbar. Besonders nassfest, kann das Tütle zur Entsorgung von feuchten Biomüll weiterverwendet werden.
„Meine erste Idee war, Tüten aus Recycling-Papier anzubieten – bis ich feststellen musste, dass deren ökologische Gesamtbilanz nicht besser ist als die von Plastiktüten aus recyceltem Kunststoff“, erklärt der Chef des Konzepts, Daniel Birkhofer. Jede Apotheke kann die Tüten bei seiner Firma Apomore beziehen.
Obwohl die Herstellungskosten wesentlich höher sind als die einer normalen Papiertüte, soll der Preis mit dem einer Plastiktüte annähernd vergleichbar sein. Birkhofer will seine Kontakte zu nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen nutzen und über Werbung die Mehrkosten ausgleichen. So zahlt die Apotheke bei einer 10.000er-Bestellung neun Cent pro Stück. Der erste Sponsoring-Partner ist meta Fackler. Apotheken können aber auch auf den Sponsor verzichten und stattdessen ihr eigenes Logo aufdrucken lassen.