Wer in den vergangenen Wochen und Monaten in einer Apotheke gestanden hat, der weiß, was sie leisten. Die Pandemie hat die Arbeit nicht einfacher gemacht und für einen erheblichen Mehraufwand gesorgt – doch das wird in der Öffentlichkeit leider nicht gesehen. Doch damit nicht genug: Oft werden die Apotheken als die Gewinner der Pandemie gesehen – die sich durch Masken, Tests und digitale Impfausweise eine goldene Nase verdienen. So sieht es auch eine Ärztin aus Reutlingen, die in einem Leserbrief ordentlich über die Apotheken herzieht.
„Das macht mich wirklich wütend und traurig“ – so lautet der Titel des Leserbriefs von Dr. Angelika Heyer aus Reutlingen. Ihr Kommentar im Reutlinger General Anzeiger dürfte vielen Apotheker:innen sauer aufstoßen. Denn mit dem derzeitigen Alltag in den Apotheken hat ihre Darstellung nur wenig zu tun. „Jetzt reicht‘s – die Vergütung und überhaupt die in den Apotheken stattfindende Digitalisierung der Impfungen schlagen dem bereits seit einiger Zeit übergelaufenen Fass den Boden aus“, leitet Heyer ihren Wutbrief ein.
„Während wir Hausärztinnen und Hausärzte weiterhin bis an unser Limit impfen und die Apotheken schon hierbei für jede Impfung sechs Euro kassieren, ohne einen Finger krumm zu machen, schleicht sich der Apothekerverband an uns vorbei und dealt mit dem Bund eine Vergütung von 18 Euro für die Digitalisierung der von uns geimpften Patienten aus“, lautet ihr Resümee. Und das nur, weil Ärzt:innen bislang noch keine funktionierende Software bereitgestellt bekommen hätten.
Sie ärgert sich über die niedrigere Vergütung von nur sechs Euro – die schon bald auch den Apotheken droht. „Begründet wird das Ganze dadurch, dass der Mehraufwand der Prüfung (die gar nicht stattfindet – wie auch?) der Impfbücher bei den Apotheken liegen würde. Wie kann der Bund wieder mal eine so maximal falsche, ungerechte und nicht wertschätzende Vergütung veranlassen?“
Doch sie wettert weiter: Für das maximal zeitaufwändige Impfen inklusive deren Planung hätten die Hausärzte grade mal 20 Euro bekommen. „In der Zeit verdienten die Apotheken kräftig an Masken, Impfstoff und anderem Zubehör und jetzt nach der ganzen Zeit fallen uns die Apotheken in den Rücken, schnappen sich die von uns geimpften Patienten, anstelle sie darauf hinzuweisen, dass sie die Digitalisierung auch ab Juli beim Hausarzt machen können.“ Dafür würden sie nochmals 18 Euro „kassieren“ – für einen Zeitaufwand von zwei Minuten. Die Hausärzt:innen würden „wieder mal dumm aus der Wäsche schauen.“
Die Ärztin beendet ihren Brief mit einem Appell an alle vollständig Geimpften: „Bitte habt noch Geduld, bis euer Hausarzt im Juli am Start ist zu digitalisieren. Ein wenig Solidarität würde sich dieser Tage ganz gut anfühlen.“
Dass die Ausstellung der Digitalen Impfnachweise auch für die Apotheken mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden ist, scheint hier übersehen zu werden. Zwar ist der Arbeitsaufwand zur Eintragung der Daten nicht groß, doch das Gesamtpaket macht den Unterschied. Wenn das Portal einmal reibungslos funktioniert, werden im Akkord die bis dato angesammelten Impfausweise digitalisiert: Für jeden abgearbeiteten Impfpass kommen gefühlt wieder drei neue hinzu. Der Stapel wird nicht kleiner.
Im laufenden Betrieb ist es kaum möglich, die Zertifikate direkt auszustellen. Oftmals wird dafür Extrapersonal abgestellt – wenn überhaupt welches vorhanden ist. Andernfalls haben viele Inhaber:innen bereits ihre Freizeit geopfert, um die Digitalisierung bis in die späten Abendstunden nach Ladenschluss vorzunehmen. Mal ganz abgesehen von der Beratung, die rund um die Abgabe der Zertifikate stattfindet wie Hilfe beim Einlesen in die App oder Erklärungen bei Problemen mit der selbigen.
So versuchen die Apotheken dem Ansturm gerecht zu werden und die höhere – und aus Sicht der meisten Apotheker:innen gerechtfertigte – Vergütung so weit es geht mitzunehmen. Denn ab Juli wird den Apotheken wie so oft das zunächst versprochene Honorar gekürzt – die Arbeit bleibt jedoch die gleiche.
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