„Hallo, ist da jemand?“

Apotheken im Live-Chat: Der Test

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Berlin -

Immer mehr Kunden wollen in Echtzeit mit Geschäften und Dienstleistern kommunizieren, auch viele Unternehmen setzen mittlerweile auf Chatfunktionen statt auf Callcenter. In Apotheken ist die Nachfrage nach Live-Chats bisher eher gering, nimmt aber stetig zu. Wir haben mehrere Apotheken und Live-Chat-Anbieter getestet – die Resultate fallen durchwachsen aus.

Der Versuch, über den Live-Chat von Meineapotheke.de (Mea) mit Apothekenmitarbeitern ins Gespräch zu kommen, ist beim ersten Versuch ziemlich enttäuschend. Auf der Startseite des Portals der Sanacorp-Kooperation wird die Funktion mit einem roten Button „Jetzt neu!“ beworben. Und wozu der Chat da ist, wird auch gleich verraten: „Fragen zur Gesundheit? Medikamente online bestellen?“ Im Suchfeld kann man Ortsnamen oder Postleitzahl angeben und wird dann zur Apothekensuche weitergeleitet, wo man nach dem neuen Online-Service ausfiltern kann. Die Suche nach Berlin ergibt drei Treffer: die Zwilling-Apotheke am Breitenbachplatz und die zwei Linden-Apotheken in Lichtenrade am südlichen Stadtrand.

Klickt man auf den Button, der die Apotheke anzeigt, erscheint ein Fenster mit Name, Adresse und darunter dem Feld „Details anzeigen“, das den Nutzer eine Seite weiterleitet: Hier wird neben Name, Adresse, Öffnungszeiten, einem Infokasten und Bildern der Apotheke erneut eine Fläche mit „Live-Chat“ angezeigt. Wir klicken zuerst auf die Zwilling-Apotheke am Breitenbachplatz. Daraufhin erscheinen zuerst die üblichen Datenschutz-Hinweise, die man bestätigen muss. „Hallo“, schreiben wir, um das Gespräch zu eröffnen. Aber dazu kommt es nicht. Zwei Stunden später hat noch niemand reagiert.

Kurz nach der Zwilling-Apotheke öffnen wir auch den Chat der Linden-Apotheke. Dort schreiben wir nicht nur „Hallo“, sondern stellen direkt eine Anfrage: „Hallo, haben Sie Ibuprofen 400 da? Ich bräuchte welche...“ – auch dort kommt aber eine gute Stunde lang keine Antwort. Vielleicht sind die Berliner einfach unzuverlässig, denken wir uns, und schauen nach Norden: Wir suchen in Hamburg – weniger als ein Drittel der Einwohner Berlins, dafür doppelt so viele Apotheken, die Live-Chats anbieten. Wir testen die Goerne-Apotheke in Eppendorf. „Hallo, ich bräuchte Ibuprofen 400. Haben Sie welche da?“ Und siehe da: Genau zehn Minuten später erhalten wir eine Antwort: „Lieber Gastnutzer-d813, wir haben Ibuprofen in der Stärke 400mg vorrätig. Viele Grüße das Team der Goerne-Apotheke“, heißt es da.

„Oh super, kann ich mir eine Packung reservieren lassen?“, fragen wir naiv nach und erhalten 18 Minuten später eine erneute Nachfrage: „Wieviele Tabletten möchten Sie denn, 20 oder 50 Stück?“ Wir antworten, dass wir gerne 50 Stück hätten. „Ich habe Ihnen Ibu Ratiopharm 400mg akut 50 Tabl. (11,40€) reserviert. Ihre Abholnr. lautet 1921“, antwortet die Apotheke acht Minuten später – vorbildlich, also rufen wir an und fragen nach, wie die Apotheke den Chat handhabt.

Inhaber Olaf Hansen geht direkt selbst ans Telefon und wir klären ihn über unseren Test auf. „Ach, dann waren Sie das, mit dem ich gerade gechattet habe“, antwortet er halb überrascht, halb amüsiert. Er freue sich, dass er unser Testsieger ist – dabei habe er mit dem Chat gar nicht so viel am Hut. „Ich mag eher telefonieren, Fax und E-Mail, jetzt wird ein neuer Kommunikationsweg aufgemacht, der mir ehrlich gesagt gar nicht so liegt“, sagt er. Er sei „schon 50+“ und damit gar nicht mehr so prädestiniert für all die neuen Kanäle. „Aber ich will das ja hier noch ein paar Jahre machen und die Apotheke irgendwann an meinen Sohn übergeben, da muss ich natürlich auf der Höhe der Zeit bleiben.“

Deswegen sei er auch auf mehreren Plattformen angemeldet – und habe deshalb auch den Live-Chat. Denn wer auf Meineapotheke.de einen Shop einrichten will, der müsse auch das Zusatzmodul buchen. „Das war die Kröte, die ich schlucken musste“, sagt Hansen. Die Nachrichten erhalte er dann auf den Computer, nicht auf eine Handy-App. „Man muss schon ein bisschen technisch versiert sein, mit einem Browser und einem E-Mail-Programm umgehen können“, erklärt er. Er habe es sich so konfiguriert, dass er eine Benachrichtigung per E-Mail bekomme, wenn eine Chatnachricht eingeht. „Das Problem ist, dass wir niemanden haben, der den ganzen Tag vorm Computer sitzt.“

Dafür, dass er sich mit Blick auf seine technischen Begabungen bescheiden zeigt, hat er sich allerdings eine sehr praktische Lösung ausgedacht: „Ich habe einen Filter angelegt und das so gemacht, dass bei bestimmten Keywords ein Ausdruck über den Netzwerkdrucker kommt.“ Sobald ihn jemand anschreibt, spuckt der Drucker die Nachricht auf Papier aus. „Im Prinzip ist das also nicht anders als ein Fax zu kriegen.“ Die Lösung sei zwar nicht die umweltschonendste, aber so sehr falle das nicht ins Gewicht – denn bisher seien nur sehr selten Anfragen über den Live-Chat eingetroffen.

Und die Apotheken, die nicht geantwortet haben? Nachfragen bei der Zwilling-Apotheke in Berlin geraten kurios: Dort hat nach eigenen Angaben nämlich niemand eine Ahnung gehabt, dass die Apotheke die Live-Chat-Funktion überhaupt anbietet. Man habe das im Rahmen eines Testlaufs gemacht und bis dahin habe man ein Tablet zur Verfügung gehabt, auf das die Nachrichten eingingen. Mangels Nachfrage sei der Testlauf aber beendet worden. Das Tablet befinde sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr in der Apotheke. Wieso die Live-Chat-Funktion auf dem Apothekenportal trotzdem noch angezeigt wird, könne man sich nicht erklären – und habe sich deshalb umgehend an Mea gewendet, um es herauszufinden. Der Inhaber wollte sich trotz mehrfacher Nachfrage nicht zum Thema äußern.

Und dann gab es noch die zwei erfolgreiche Versuche: Die Pluwig-Apotheke in der gleichnamigen Gemeinde in Rheinland-Pfalz meldete sich innerhalb einer Minute zurück, die Petrisberg-Apotheke erfüllte mit zwei Minuten nach der ersten Kontaktaufnahme ebenfalls das Kriterium der Kommunikation in Echtzeit.

Neben den Chats im Desktop-Format haben wir auch drei Apps mit einer solchen Funktion getestet: Deine Apotheke (Phoenix), Callmyapo (Noventi) und Apozept (Comvalue/Apozin). Alle Apps sind ähnlich aufgebaut. Man sucht sich „seine Apotheke“, von der man das gewünschte Präparat abholen oder geliefert bekommen möchte, scannt direkt – wenn vorhanden – ein Rezept via Handykamera oder schreibt seinen Wunsch in ein vorgegebenes Textfeld. Welche Formalitäten und Angaben eine solche Nachricht erfüllen muss, wird nicht kommuniziert.

Bei „Deine Apotheke“ läuft auch die einfache Anfrage nach der Verfügbarkeit eines Präparates unter dem Status „Meine Bestellung“. In unserem Fall wurde bei einer zufällig ausgewählten Apotheke nach knapp 40 Minuten die „Bestellung entgegengenommen“ – dabei handelt es sich lediglich um die Anfrage nach Präparaten ohne expliziten Wunsch der Bestellung oder Reservierung, welche mit der Verfügbarkeit bestätigt wurden. Bei einer anderen getesteten Apotheke tauchte eine Stunde nach unserer Anfrage die Meldung „Ware abholbereit“ im Chatfenster auf. Unmittelbar danach folgte eine Textnachricht mit einer Abholnummer, dem offenen Betrag für die jeweiligen Stärke, sowie einem generierten QR-Code, welcher als digitaler Abholschein dienen soll. Wie bei jedem anderen Tool ist es also entscheidend, wie die Apotheken es nutzen und darüber kommunizieren.

Ähnlich aufgebaut ist die Apozept-App: Auch hier laufen Anfragen unter dem Status „Bestellung“. Auch hier haben wir eine Anfrage an eine Apotheke via Chat gesendet – dieses Mal für ein verschreibungspflichtiges Medikament. Die für den Test ausgewählte Apotheke gehörte zu den schnellsten – bereits nach 3 Minuten erhielten wir eine Antwort. Die ebenfalls getestete Mohren-Apotheke in München reagierte ähnlich schnell, nämlich nach nur 10 Minuten. Allerdings zeigte uns die Benachrichtigung, dass der Vorgang abgebrochen wurde. Nach telefonischer Rückfrage konnte sich die Apothekerin diesen Verlauf nicht erklären: „Wir haben die App und unser E-Mail-Konto auf einem Tablet. Immer wenn eine Mail reinkommt, gibt es ein Geräusch und wir schauen möglichst direkt. Aber ihr Vorgang ist nicht dabei.“

Sie bekomme regelmäßig Bestellungen via E-Mail oder App. Warum unsere Bestellung nicht dabei war, sei ungewiss. Aber wenige Minuten später tauchte bei uns eine Benachrichtigung im Chatfenster auf: „Wir haben vorhin telefoniert, hat sich erledigt“. Woran es jetzt gelegen hat, wurde nicht mehr aufgeklärt. Über die Callmyapo-App haben wir ebenfalls eine Apotheke nach der Verfügbarkeit eines verschreibungspflichtigen Medikamentes gefragt. Auf eine Antwort warten wir heute noch.

Und auch Versandapotheken haben wir getestet – hier gehört der Chat sicherlich zu den gängigeren Kommunikationsmitteln. Bei Apo-Discounter wird die Anfrage sofort aufgenommen; unsere Nachfrage bezüglich eines Rabatts auf Rezept wird ans pharmazeutische Team weitergeleitet – und korrekt beantwortet. Auch bei DocMorris funktioniert der Chat in Echtzeit; allerdings waren mehrere Anläufe nötig, weil der Chat gerade nicht erreichbar sei. In Heerlen bietet man übrigens seit 2014 auch Videochats an. Auch bei Aponeo war auf Anhieb ein Mitarbeiter per Chat zu erreichen. Dagegen steht bei Curavendi direkt über den Chat-Fenster: „Derzeit keine Chat-Funktion verfügbar.“

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