Apotheken droht Rabattvertragschaos Patrick Hollstein, 28.09.2021 15:33 Uhr
Apothekenmitarbeiter:innen droht in den kommenden Monaten ein absolutes Abgabechaos. Alleine bei den Ersatzkassen treten bis weit ins Jahr 2022 hinein immer wieder neue Rabattverträge in Kraft – mit individuellen Terminen für einzelne Kassen. Auch die Anzahl der Rabattpartner und die jeweiligen Hersteller unterscheiden sich. Diskussionen mit verunsicherten Patient:innen könnten zum Dauerzustand werden.
Seit 2018 schreiben die Ersatzkassen gemeinsam aus; zunächst gab es einige kleinere Ausschreibungen als Testballons. Denn weil die einzelnen Kassen vielfach bereits Verträge abgeschlossen hatten, unterscheiden sich die Starttermine – was für die Umstellung der Lieferketten alles andere als trivial ist. Ziel der Kassen ist es, am Ende der Vertragslaufzeit einen einheitlichen Rhythmus zu haben.
So gestaltet sich die Situation auch jetzt, nur dass schon aufgrund der Menge der ausgeschriebenen Wirkstoffe ein wochenlanges Chaos droht: Insgesamt rund 270 Rabattverträge für verschiedene Wirkstoffe treten in Kraft – verteilt auf knapp ein Dutzend unterschiedliche Starttermine. Ausgeschrieben hatten DAK beziehungsweise TK, jeweils eine Auswahl an Wirkstoffen für alle Ersatzkassen. Allerdings sind die Fachlose aufgeteilt in drei Gruppen: So gibt es gemeinsame Verträge für TK, hkk und HEK, DAK und KKH haben unter Umständen andere Rabattpartner, genauso wie die Barmer.
Bei den Verträgen der DAK ist das jeweilige Startdatum noch nicht einmal bekannt, da in den Ausschreibungsunterlagen nur auf die Anlage B3 Anhang V „Übersicht Rabattlaufzeiten“ verwiesen wird. Anders in den beiden von der TK betreuten Ausschreibungen: Die meisten Verträge der Barmer treten am 1. Oktober in Kraft. Bei TK, hkk und HEK gibt es vielfach ab 1. November neue Rabattpartner. Bei DAK und KKH müssen die meisten Versicherten am 1. November beziehungsweise 1. Januar umgestellt werden. Doch es gibt auch zahlreiche Rabattverträge, die zu einem anderen Termin starten, im März, Juli oder Oktober kommenden Jahres etwa oder in Einzelfällen sogar erst 2023. Selbst innerhalb der drei Gruppen gibt es noch Abweichungen.
Beispiel Captopril: Die Verträge für die Barmer treten am 1. Oktober in Kraft, dasselbe gilt für die hkk, nicht aber für die beiden anderen Kassen aus der gemeinsamen Gruppe: Bei der TK wird einen Monat später umgestellt, bei der HEK erst im Juli 2023. Auch bei der KKH starten die neuen Verträge am 1. November, bei der DAK dagegen erst im Juli 2022.
Beispiel Valsartan: Zunächst treten neue Rabattverträge zum 1. November bei TK und hkk in Kraft, zum Jahreswechsel auch bei DAK und KKH. Die HEK folgt im Juli, die Barmer erst im Oktober 2022. Bei Valsartan/HCT gilt dasselbe, nur dass hier bei der hkk ebenfalls erst im Juli umgestellt wird.
Immerhin: In der Regel sind die Rabattpartner für alle sechs Kassen dieselben. Doch es gibt Ausnahmen: So ist bei Ritonavir die Bietergemeinschaft Mylan/Meda an Bord, nur bei der Barmer ist Hexal/1A Rabattpartner. Ähnlich sieht es bei Alfacalcidol aus: Aristo ist Partner bei TK, hkk, HEK. Hexal und Theramex sind bei DAK/KKH an Bord. Aristo und Theramex wiederum können bei der Barmer abgegeben werden.
Mitunter kommt es auch auf die Darreichungsform an: Bei Salmeterol/Fluticasonpropionat kommt das Dosieraerosol von Zentiva oder Aliud (TK, hkk, HEK) beziehungsweise GSK (DAK/KKH sowie Barmer), das Inhalationspulver dagegen von GSK oder Zentiva (TK, hkk, HEK), Glenmark oder Zentiva (DAK/KKH) oder aber von GSK oder Glenmark (Barmer).
Einzige Konstante in dieser Doppelausschreibung ist das jeweilige Enddatum: Die Verträge, die von der TK ausgeschrieben wurden, enden – unabhängig vom Startdatum – einheitlich am 30. September 2023. Der oben genannte Vertrag für Captopril mit Teva gilt also gerade einmal für drei Monate. Die Verträge der DAK enden am 31. Dezember 2023. Und die zweite TK-Ausschreibung über 180 Lose läuft sogar bis März 2024.
Auffällig ist auch, dass nur rund ein Drittel der Wirkstoffe im Mehrpartnermodell ausgeschrieben wurde. Die meisten Verträge sind allen Beteuerungen zum Trotz auch diesmal Exklusivvereinbarungen mit nur einem Hersteller. Und bei einer Handvoll Ausschreibungen fand sich auch gar kein Unternehmen, das sich beteiligen wollte.