Um den Konsum anzukurbeln, soll die Mehrwertsteuer ab 1. Juli für sechs Monate von 19 auf 16 beziehungsweise von 7 auf 5 Prozent gesenkt werden. Wie so oft bei kurzfristigen politischen Maßnahmen stellt der schnelle Start die Apotheken und ihre Dienstleister vor Herausforderungen. Im schlimmsten Fall droht ein Preischaos.
Die reduzierte Mehrwertsteuer stellt alle Händler vor die Grundsatzfrage: Preise reduzieren und wo nötig neu auszeichnen – oder einfach konstant halten, spätere Diskussionen vermeiden und über den kleinen Zuschuss freuen?
Bei den Apotheken stellen sich aber weitaus gravierendere Fragen. Denn hier spielt die Umsatzsteuer nicht nur bei der Preisbildung eine Rolle, sondern auch bei der Berechnung verschiedener sozialrechtlicher Komponenten wie Festbeträgen, Herstellerabschlägen oder den Sätzen aus der Hilfstaxe.
Zwar werden die Preise ohnehin alle 14 Tage aktualisiert – doch wegen der Komplexität ist in dem Verfahren ein größerer Vorlauf vorgesehen: Die Hersteller melden ihre Daten zu bestimmten Stichtagen an die Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IfA), einem Gemeinschaftsunternehmen von Abda, Phagro und dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Bei der Abdata, die zur Abda-Tochter Avoxa gehört, werden zusätzlich alle für die Abrechnung mit den Kassen relevanten Daten eingepflegt. Diese Pakete werden nun in die Warenwirtschaft eingespielt.
Meldeschluss für die Unternehmen ist zwar erst Ende kommender Woche – noch ist das Konjunkturpaket aber nicht in einen Gesetzestext eingeflossen. Auch wenn es nicht danach aussieht, dass von irgendeiner Seite noch Störfeuer kommen wird und auch die Kassen ein erhebliches Interesse an einer rechtzeitigen Umsetzung haben dürften: Rechtsverbindlich sind die Maßnahmen noch nicht.
Seit dem gestrigen Abend sind IfA, Abdata, GKV-Spitzenverband und Verbände im Austausch, um eine Lösung herbeizuführen. „Wir werden alles daran setzen, dass die Apotheken rechtzeitig zum Inkrafttreten die korrekten Preise haben“, sagt IfA-Geschäftsführer Lutz Boden. Derzeit prüfe man alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.
Ohne korrekte Zahlen in der Software hätten die Apotheken ein riesiges Problem. Während sich – eine entsprechende Friedenspflicht vorausgesetzt – die Abrechnung mit den Kassen wohl noch im Nachhinein korrigieren ließe, müsste beispielsweise die Zuzahlung jedes Mal händisch errechnet werden. Denn diese bezieht sich laut §61 Sozialgesetzbuch (SGB V) auf den Bruttoabgabepreis – und hier wäre im Zweifelsfall nicht nur die Differenz zu berücksichtigen, sondern auch die jeweilige Zuzahlungsklasse (5 Euro, 10 Prozent, 10 Euro).
Im Vorfeld hat jetzt zunächst die Industrie noch einige Rechenmanöver zu absolvieren: Die Reimporteure müssen die Preisabstände neu prüfen, die Generikafirmen mögliche Auswirkungen auf die Rabattverträge: Auch wenn größtenteils Nachlässe auf den Herstellerabgabepreis vereinbart sind, orientieren sich einige Ausschreibungen – vor allem solche mit Preissicherungsrabatt – am Apothekenverkaufspreis. Hier müssten die jeweiligen Ausgangspunkte für den Abzug der Rabatte neu festgelegt werden.
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