Apotheke im Belagerungszustand Alexander Müller, 26.01.2019 07:49 Uhr
Wer kennt das nicht – zum Geburtstag so ziemlich jeden eingeladen, den man kennt, weil ja eh nie alle können. Und auf einmal ist die Bude voll, aber die Gäste nicht, weil nicht genug Bier im Haus. Oder als Apotheker: Man lädt alle notorischen Apothekenkritiker, naseweißen Journalisten und Monopolkommissionisten zum Notdienstschieben ein und dann kommen alle und auf der Pritsche im Nachtdienstzimmer wird es eng.
Hat das TV-Team mit der lieblos versteckten Kamera für den „Großen Apothekentest“ wieder genau die drei Erkältungsmittel verlangt, die online besonders preissensitiv sind. Nur um im Beitrag später über die Apothekenpreise schimpfen zu dürfen. Und wenn die PTA dann Detailfragen zu den Symptomen stellt, wird das vermeintliche Beratungsgespräch schnell abgebrochen. Geschichte im Kasten, fertig. Die Apothekerin ruft nach Ausstrahlung des Investigativstücks in der Redaktion an und fragt, ob mal jemand Interesse an der Arbeit in einer Apotheke hätte. Sie würde das gerne zeigen.
Oder Minister Spahn hat das einzige Versprechen gebrochen, das die Koalition den Apothekern gemacht hat. Statt Rx-Versandverbot sollen sie mehr Geld bekommen. Dafür sollen sie aber auch mehr arbeiten. Dann ist wieder von der mächtigen Apothekerlobby die Rede und der arme Herr Spahn wird als korrupter Handlanger hingestellt. Also verschickt der Inhaber die nächsten Einladungen, um den Apothekenkritikern das mit der Rezeptur mal vor Ort zu zeigen.
Und wenn das nächste Mal irgendein Ökonom meint, dass das Packungshonorar mindestens zwei Euro zu hoch ist, kann man sich mit dem im Notdienst ja mal ausgiebig über Stundensätze austauschen. Das Problem ist dann nur, wenn sich alle zurückmelden und tatsächlich Interesse zeigen. Dann steht eine Gruppenführung durch die Offizin an und ein kleines Notdienst-Festival muss improvisiert werden. Naja, das wäre immerhin effizient.
Bevor sich jetzt jemand wundert: Vor der Zugspitz-Apotheke gibt es nach unseren Erkenntnissen nicht wirklich ein Zeltlager. Hätte auch nichts gebracht – denn einen Notdienst konnte man dort lange sowieso nicht besichtigen. Weil die Inhaberin dieses – durchaus begründete – Privileg bei einer Neuverteilung der Dienste zum Jahreswechsel einbüßte, zog sie vor Gericht. Doch Justitia meinte, wenn die Nachtschicht einer kleinen Flachlandapotheke zuzumuten ist, dann auch einer ländlichen Bergapotheke.
Großes Interesse an den Apotheken hat berufsbedingt auch Jens Spahn (CDU). Aber man wird verstehen, dass er sich keine ganze Nacht um die Ohren schlagen kann. Muss er auch nicht, der Minister ist im Bilde. Dafür wüssten die Apotheker ganz gerne einmal, warum Herr Spahn so ein Fan von Versandapotheken ist. Zumal deren Zahlen zuletzt gar nicht so richtig überzeugend waren.
Dr. Philipp Kircher durfte bei #FragSpahn seine Fragen loswerden. So richtig zufrieden sein konnte er mit den Antworten nicht. Spahns Kernthese zu dem Fakt, dass Apotheken vor Ort viele defizitäre Gemeinwohlaufgaben übernehmen, ist, dass die Apotheken mit diesen Leistungen viel mehr vor ihren Kunden angeben sollen. Vielleicht wäre eine Nachtschicht doch mal ganz nützlich…
Tatsächlich eine Einladung in den Notdienst bekommen hat jene SZ-Wirtschaftskorrespondentin, die sich über den Einfluss der Apothekerlobby auf Jens Spahn ausgelassen hatte. Apothekerin Daniela Hänel aus Zwickau findet, ein bisschen Realität könnte hier helfen, und hat Kontakt zur Autorin aufgenommen: „Bringen Sie einen Schlafsack mit!“ Die Journalistin hat das übrigens wirklich durchzgezogen, allerdings in einer anderen Apotheke. Das ist nicht persönlich gemeint, aber entscheidend ist und bleibt Lage, Lage, Lage.
Der Platz im Regal von Mucosolvan Phyto Complete könnte zu diesem Zeitpunkt schon verwaist sein. Sanofi hat Ärger mit dem Münchener Schutzverband gegen Unwesen der Wirtschaft. Es geht um die Frage der Apothekenpflicht. Genau wie in dem Amazon-Verfahren. Das Landgericht Magdeburg hat entschieden, dass es noch keiner Selbstbedienung gleichkommt, wenn im Amazon-Shop einer Versandapotheke von der Plattform nach eigenem Gutdünken OTC-Präparate zum Weitershoppen empfohlen werden. Kunden mit einer Erkältung interessierten sich auch für Durchfall, oder so.
Was im Kampf gegen die Vorurteile gegenüber Apothekern natürlich nicht hilfreich ist, wenn diese im Marketing mit purem Gold gelockt werden. Noventi möchte auf diese Art ein paar MVDA-Multiplikatoren einfangen. Am besten, Sie schreiben schon jetzt die nächsten Einladungen. Dann kann man mit den Kritikern im Notdienst gemeinsam 10g einwiegen und vielleicht wieder ein Klischee zerschlagen. Niemals aufgeben! Schönes Wochenende!