Mit seinem Apothekenkonzept, in der Offizin auf HV-Tische zu verzichten, hat Matthias Bußmann mehrere Preise gewonnen. Dann kam die Pandemie und die von dem Inhaber gewollte Nähe zur Kundschaft musste gestoppt werden. Auch die Baupläne für einen weiteren Betrieb in dem Design liegen seither in der Schublade. Der Inhaber spricht über sein Projekt „in der Sackgasse“.
2016 öffnete Bußmann seine erste Apotheke ohne HV-Tische in Ahlen. Gemeinsam mit befreundeten Kollegen entstand die Idee, die Offizin so umzugestalten, dass der schlauchartige Grundriss aufgeweicht wird. Die HV-Tische wurden ab- und sogenannte Beratungsinseln aufgebaut. Eine Sichtwahl gibt es nicht, stattdessen werden die Produkte auf Bildschirmen sowie auf einem in den Tisch eingelassenen Display präsentiert. Der klassische „Abkassier-Tresen“ war Geschichte.
Bußmann wollte mit dem Konzept eine neue Nähe zu den Kund:innen schaffen und gleichzeitig für mehr Diskretion sorgen. Die Apothekenbesucher:innen wurden von den Angestellten nach dem Eintreten angesprochen und zu einer Beratungsinsel geführt. Ein Ergebnis sei gewesen, dass es deutlich ruhiger in der Apotheke war, sagt er. „Es war eine angenehme Atmosphäre im HV, weil nicht laut gesprochen werden musste.“
Anfangs habe es auch Vorbehalte einzelner Angestellten gegeben: „Ich kann nicht sagen, dass es alle Mitarbeiter gut fanden. Es gibt Kunden, bei denen man sich über die Distanz freut.“ Ein Knackpunkt sei auch die Platzierung der Beratungsinseln gewesen. In der ersten Version waren sie „wie ein Knochen“ im Zentrum der Offizin angeordnet. Dadurch seien auf der einen Seite die Angestellten während des Gesprächs mit dem Rücken zur Tür gedreht gewesen. Ein Minuspunkt, wie Bußmann feststellte. Im Anschluss wurden die Inseln an die Seiten gebaut, um den Eingang im Blick behalten zu können.
Das Konzept wurde von den Angestellten schnell angenommen. Insgesamt acht Apotheken in der Region aus seinem Mini-Verbund hätten es adaptiert. Er selbst wollte schon lange seine vierte Apotheke umbauen. Doch dort stehen noch immer die „alten HV-Tische“. Die Planung sei fertig und der Schreiner stehe in den Startlöchern. Doch bisher zögerte er mit der Umsetzung. „Die vergangenen zwei Jahre waren tödlich für mein Konzept.“
Plötzlich musste er wieder „Distanz schaffen“. Denn bei seinem Beratungsinseln schmolz der Abstand zum Gegenüber auf maximal einen halben Meter. Das gefeierte Aus der „Frontal-Beratung“ musste rückgängig gemacht werden. Doch klassische HV-Tische kamen nicht für Bußmann in Frage. Stattdessen stellte er längliche Tische mit integriertem Spuckschutz aus dem Messebau auf. „Irgendwie musste ich die Kunden wieder auf Distanz halten“, sagt er.
An den Aufstellern will Bußmann vorerst festhalten. Auch er fragt sie wie viele, wie man die frühere Nähe wieder aufbauen will. „Wer schüttelt einem heute überhaupt noch die Hand? Ob wir da überhaupt wieder hinkommen?“ An seinem Konzept will er festhalten. „Ich bin davon überzeugt“, sagt er, auch wenn er mit dem Umbau seiner letzten Apotheke noch wartet. Neu würde er künftig jedoch das Backoffice gestalten – statt einer Offizinvergrößerung sei ein größerer hinterer Bereich nötig. „Ich plane nicht mehr länger als 14 Tage, das habe ich mir abgewöhnt.“
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