Apotheke muss Patientin preisgeben Alexander Müller, 05.03.2018 09:10 Uhr
Die Kundin wollte nicht, dass ihr Klarname beim Hersteller für ihre Therapie-Allergene landet. Kein Problem, dachte Apothekenmitarbeiterin Christina Zipfel, schwärzte die Daten auf dem Bestellbogen und schickte diesen an Roxall. Doch so einfach ging das nicht.
Therapie-Allergene werden für Patienten zwar individuell bestellt, trotzdem dürfen die Hersteller eigentlich nicht wissen, für wen sie produzieren. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verbietet die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Zustimmung des Betroffenen. Daher holen sich die Hersteller mittlerweile eine Einverständniserklärung der Patienten. Diese wird auf dem Bestellbogen in der Apotheke unterschrieben.
Doch eine Kundin der Barbara-Apotheke im nordrhein-westfälischen Voerde von Hans-Urlich Zipfel wollte nicht, dass der Hersteller Roxall sie persönlich kennt. Christina Zipfel kam ihrem Wunsch nach und schickte einen anonymen Bestellbogen an den Hersteller aus Oststeinbek bei Hamburg. Doch das Desensibilisierungspräparat wurde nicht ausgeliefert.
Zipfel wurde vom Hersteller mitgeteilt, ohne Einverständniserklärung könne man die Bestellung nicht beliefern. Zipfel hat dafür kein Verständnis. Da sie keine Daten weitergebe, sei auch die Einverständniserklärung überflüssig. Und die Beschriftung der Präparate hätte sie selbst in der Apotheke vorgenommen, damit es beim Arzt nicht zu einer Verwechslung kommt.
Doch Roxall wählte einen anderen Weg. „Die haben den Außendienst zur Arztpraxis geschickt und die Patientin erneut einbestellt“, berichtet Zipfel aus ihrem Gespräch mit dem Hersteller. Tatsächlich sie die Kundin dann mit neuem Rezept und neuem Bestellbogen erneut in der Apotheke aufgeschlagen.
Das neue Bestellformular enthält eine kleine, aber feine Änderung. Im Feld für den Arztstempel gibt es am oberen Rand einen Vordruck: „Hiermit bestätige ich, dass eine schriftliche Einwilligung des Patienten zur Dateneinwilligung an den Hersteller (ROXALL Medizin GmbH) zwecks Arzneimittelsicherheit vorliegt.“ Zipfel hat das Präparat schließlich bestellt: „Die Patientin wollte keinen Ärger mehr damit haben und ihr Präparat bekommen. Aber für mich fühlt sich das ein bisschen nach Erpressung an“, beklagt sie.
Roxall-Geschäftsführer Cem Gegin bestätigte gegenüber APOTHEKE ADHOC, dass eine Bestellung mit Klarnamen des Patienten vorgesehen ist – und die Einverständniserklärung verpflichtend. Denn die konkrete Zuordnung ist aus Sicht des Herstellers ein wichtiger Sicherheitsfaktor.
Nach Gegins Angaben vergeht kaum eine Woche, in der keine Bestellung korrigiert werden müsse. „Wir sehen, was der Arzt früher verordnet hat und rufen in der Praxis an, wenn es Abweichungen gibt“, erklärt der Roxall-Chef. Den Patienten könnten so schwere Nebenwirkungen erspart bleiben. „Wir sind ein Kontrollorgan für den Arzt und diese Kontrolle ist von den Ärzten auch erwünscht“, ist Gegin überzeugt.
Eine Bestellung der Apotheke mit einer gleichbleibenden Chiffre könnte sich der Roxall-Chef zwar grundsätzlich vorstellen, ideal wäre das aus seiner Sicht aber nicht. Denn wenn der Patient dann beim nächsten Mal doch seine Freigabe erteile, sei eine Zuordnung zur letzten Bestellung nicht mehr möglich.
Die Hersteller nehmen das Thema Datenschutz ernst. Apotheken können nicht mehr wie früher das Rezept einfach per Fax zum Hersteller schicken. Roxall hat zudem eine Vereinbarung mit dem Datenschutzbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein getroffen, wonach die Bestellbögen mehrere Jahre archiviert werden können.
In der Vergangenheit gab es in der Branche schon handfesten Streit über die Einverständniserklärungen. Die Konkurrenten Allergopharma und Leti hatten sich deswegen vor Gericht getroffen. Am Ende wurden beide Seiten vom Landgericht Hamburg verurteilt. Leti wurde vom Gericht verboten, Bestellbögen ohne Einwilligung des Patienten zu benutzen. Allergopharma hatte zwar schon Einwilligungen eingeholt, bei mehreren Testkäufe des Mitbewerbers in Einzelfällen aber darauf verzichtet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Sache liegt jetzt beim Oberlandesgericht Hamburg
Mit Allergenen wurden im Jahr 2015 laut IMS-Zahlen rund 303 Millionen Euro Umsatz auf Basis der Herstellerabgabepreise (ApU) erwirtschaftet. Die Zahl der abgegebenen Packungen lag bei 921.000. Die drei führenden Hersteller – Alk Abelló, Allergopharma und Hal Allergie – teilen sich knapp zwei Drittel des Marktes. Neben Leti sind noch Roxall, Lofarma, Stallergenes und Allergy Therapeutics auf dem deutschen Markt aktiv.